Europa sucht ein Wundergesetz, das Google in die Schranken weist

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So zögerlich wie Europa bisher gegen Google auftrat, wirkt der Vorschlag einer EU-Digitalabgabe fast lieb. Wer Gesetze einführt, muss sie auch ernst nehmen.

Vollmundig und offensichtlich voll motiviert hat der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger angekündigt, er wolle eine europaweite Abgabe für die Online-Nutzung geistigen Eigentums einführen. Das ist prinzipiell keine schlechte Idee, gäbe es da nicht schon gefühlte siebzig Abgaben für geistiges Eigentum pro Mitgliedsland und die Frage, wie man diese mit einer neuen EU-Abgabe vereinen kann. Und würde dieser Vorschlag nicht schon wieder so auffällig darauf abzielen, den Suchmaschinenriesen Google endlich in die Knie zu zwingen.

Dass sich jener aber nicht so leicht einschüchtern lässt, sollte sich herumgesprochen haben. Gerade Oettinger müsste das in seiner Heimat, Deutschland, mitbekommen haben. Dort zeigt Google gerade, wie leicht es ist, die Verlage vor sich herzutreiben. Große Medienhäuser, allen voran Axel Springer, die Funke Mediengruppe (die in Österreich 50 Prozent an der „Krone“ hält) und der Burda-Verlag, haben monatelang um ein Lizenzrecht für die Nutzung der kurzen Textanrisse auf Google gebettelt und es prompt bekommen. Doch Google nimmt Gesetze wie dieses mit ungerührtem Schulterzucken zur Kenntnis und sagt: „Dann eben nicht.“ Statt die seit August 2013 geltende Gebühr für die Textanrisse zu zahlen, kündigte der Konzern an, diese nicht mehr anzuzeigen. Worauf die Verlage vergangene Woche einknickten und reihenweise eine „widerrufliche Gratiseinwilligung“ für die Nutzung der Texte erteilten. Es gibt nun also ein Gesetz, und keiner hält sich daran. So zwingt man Netzmonopolisten sicher nicht in die Knie.

Wenn Oettinger seine Ankündigungen im „Handelsblatt“ ernst nimmt, die sein Büro am Dienstag ohnehin als „grobe Vorstellungen“ relativiert hat (siehe rechts), sollte er sich genau überlegen, wie eine solche Abgabe aussehen könnte und sich im Vorfeld um eine Einigung mit Google und anderen Digitalkonzernen bemühen. Das alles kostet Zeit, weshalb Oettinger am Dienstag vor allem für seinen gewagten Zeitplan von einem Jahr Gelächter von Legisten und Netzpolitikern geerntet hat. Bis 2016 will er nicht nur die Abgabe, sondern auch ein einheitliches europäisches Urheberrecht einführen. Sein Vorgänger, Michel Barnier, als EU-Binnenmarktkommissar bisher für das Thema zuständig, hat das in fünf Jahren nicht geschafft.


Ähnlich wie Oettinger lässt sich auch der österreichische Verlegerverband VÖZ nicht von der deutschen Google-Niederlage einschüchtern. In regelmäßigen Abständen fordert der VÖZ ein Leistungsschutzrecht nach deutschem Vorbild. Freilich soll es weniger schwammig und mutlos formuliert sein als im Nachbarland. Aber ist der VÖZ wirklich gewappnet, wenn Google auch Österreichs Medienhäusern droht, die Textausschnitte nicht mehr anzuzeigen? Und ziehen wirklich alle Verlage im Land an einem Strang?

Ebenso wenig wie in Deutschland. Dass die Verlage so wenige Chancen mit ihrer durchaus legitimen Forderung auf Bezahlung ihrer Textausschnitte hatten, hat auch damit zu tun, dass sie sich untereinander so uneinig waren. Zeitungshäuser wie „Die Zeit“ oder „Die Süddeutsche“ hatten sich der Lizenzrechtforderung gar nicht erst angeschlossen. Nur der Springer-Verlag stand und steht an vorderster Front im Kampf gegen Google. Vorstand Mathias Döpfner schrieb sogar einen Brief an Google-Chef Eric Schmidt, in dem er gestand, in einem Abhängigkeits-Angst-Verhältnis zu Google zu stehen. Döpfners Brief wirkte auf Netzexperten so naiv wie die deutsche Kanzlerin Merkel, wenn sie von „diesem Internet“ spricht, das „für viele von uns noch Neuland“ ist. Die Mächtigen in Wirtschaft und Politik glauben, dass über Jahrzehnte gewachsene Entwicklungen im Netz leicht revidierbar sind.

Wenn sich Europa auf eine Lex Google einigt, muss sie diese mit allen Konsequenzen durchziehen. Auf halbem Weg die Meinung zu ändern geht dann nicht mehr.

E-Mails an: anna.wallner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2014)

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