Österreich: Tausende Sparer zittern

Allianz
AllianzAP (Christof Stache)
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VERSICHERUNGEN. Lehman Brothers ist Garant bei vielen Lebenspolizzen.

Wien. Bei Österreichs Versicherungen laufen die Telefone heiß. Wegen der Lehman-Pleite zittern tausende Anleger um ihre Sparguthaben. Denn viele österreichische Versicherungen haben Lebenspolizzen verkauft, bei denen die in die Pleite geschlitterte US-Bank Lehman Brothers als Garantiegeber fungierte. Nun ist zu befürchten, dass die Kunden um ihr Geld umfallen. Damit sind erstmals österreichische Privatanleger direkt von der Insolvenz einer US-Bank betroffen.

Denn bei kapitalgarantierten Lebenspolizzen stammt die Garantie nicht vom Versicherer, sondern von einem Bankpartner. Geht dieser pleite, übernimmt die Versicherung aber keine Haftung, sondern das Risiko trägt der Kunde. Und genau deswegen gehen jetzt die Wogen hoch. Selbst große Versicherungen wie Allianz und Generali haben im Frühjahr im großen Stil Produkte mit einem Kapitalschutz von Lehman Brothers vertrieben. Dabei ging es um viel Geld. Ein durchschnittlicher Kunde ist mit 20.000 Euro investiert.

Gerade die Börsenturbulenzen hatten einen Run auf solche Polizzen ausgelöst. Denn die Versicherungen versprachen den Kunden nicht nur hohe Renditen, sondern auch eine Garantie für das eingezahlte Kapital.

Die Allianz-Versicherung reagierte gestern sofort auf die Krise und richtete eine Telefon-Hotline ein. „Unsere Kunden sind zu 100 Prozent auf der sicheren Seite. Wir werden auch unter diesen schwierigen Umständen die Interessen der Anleger selbstverständlich wahren“, erklärte Allianz-Chef Wolfram Littich. Was die Allianz aber konkret tun wird, ist unklar. „Wir warten auf weitere Informationen von Lehman Brothers“, sagte Littichs Sprecherin. Bei der Allianz sind Kundengelder von 20 Millionen Euro betroffen.

„Unangenehme Situation“

Auch die Wüstenrot-Versicherung nahm am Montag mehrmals Kontakt zu Lehman Brothers auf. „Uns ist die Situation unangenehm“, räumt Versicherungschef Helmut Geier im „Presse“-Gespräch ein. Wüstenrot verkaufte noch in der Vorwoche ein Produkt mit einem Kapitalschutz der US-Bank. „Unser Vertragspartner ist die holländische Tochter von Lehman Brothers. Wir müssen nun abwarten, ob auch diese von der Insolvenz betroffen ist“, so Geier. Bei Wüstenrot geht es um insgesamt 30 Mio. Euro. Mit zehn Mio. Euro ist die Holding selbst investiert, der Rest sind Kundengelder.

Laut Geier sei nicht auszuschließen, dass man den gesamten Betrag wertberichtigen muss. Das ist nicht wenig. Im Vorjahr hatte Wüstenrot ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 51,4 Mio. Euro erzielt.

Warum machte die Versicherung überhaupt Geschäfte mit Lehman Brothers? Geier: „Sie haben am Markt tolle Renditen versprochen. Nachdem im Frühjahr die Konkurrenz die Produkte groß beworben hatte, mussten wir nachziehen.“ Wüstenrot habe die Kunden jedoch immer auf das Risiko aufmerksam gemacht.

Die Nürnberger-Versicherung stoppte Anfang September rechtzeitig den Verkauf der umstrittenen Polizzen. Die Gesellschaft hält dennoch einen Wertberichtigungsbedarf von bis zu drei Mio. Euro für möglich.

FMA ist gefordert

Konsumentenschützer appellieren nun an die Assekuranzen, fair zu sein und den Kunden die Einzahlungen zurückzuerstatten, obwohl sie dazu rechtlich nicht verpflichtet sind.

Aufatmen können Polizzeninhaber der Wiener Städtischen und der Uniqa. „Unser Garantiegeber ist meist die RZB“, so ein Uniqa-Sprecher. Und die Wiener Städtische arbeitet mit der Erste Bank zusammen.

Der Obmann der Wiener Versicherungsmakler Rudolf Mittendorfer verlangt von der Finanzmarktaufsicht nun klare Richtlinien. „Wir haben schon mehrmals auf das Risiko solcher Garantieprodukte aufmerksam gemacht.“ Die Versicherungsverkäufer würden sich in einem Dilemma befinden.

Mittendorfer: „Laut dem Gesetz muss ein Makler stets die Bonität eines Unternehmens prüfen, dessen Produkte er vermittelt.“ Das sei angesichts der internationalen Verflechtungen in der Praxis aber unmöglich.

In Österreich sind derzeit noch Garantieprodukte anderer US-Banken am Markt. Und niemand weiß, welches Institut als Nächstes zusammenbricht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2008)

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