Österreicher ernten Bulgariens Wind

(c) AP (Eckehard Schulz)
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Mehr Förderung für Windkraft-Betreiber in Bulgarien löst Investitions-Boom aus.

Varna. Kaiserwetter an der nordbulgarischen Schwarzmeerküste. Während sich Ausflügler an kräftiger Herbstsonne und blauem Himmel erfreuen, sollte die herrschende Windstille Entwicklern von Windkraftprojekten eigentlich Kopfzerbrechen bereiten. Doch die an einer vom österreichischen Branchenverband IG Windkraft organisierten Erkundungsreise teilnehmenden Unternehmer lassen sich von der Flaute nicht beirren. Sie wissen aus Studien, wie windig die von Nordbulgarien bis Südrumänien reichende Küstenebene Dobrudscha ist.

Österreichische Unternehmen werden in den nächsten Jahren in Bulgarien 400 Megawatt Windkraftkapazität errichten, prognostiziert Stefan Hantsch, Geschäftsführer der IG Windkraft. Er beziffert das dafür nötige Investitionsvolumen mit 700 Mio. Euro. Sieben Projekte österreichischer Windkraftbetreiber sind in Bulgarien in Bau oder Planung; realisiert werden sie von mittelständischen Unternehmen wie Aquavento, WEB Windenergie und Windkraft Simonsfeld sowie Töchtern von Großunternehmen wie Raiffeisen, Bewag, Verbund und EVN.

Teile in Vietnam gefertigt

Die Anlagen stammen vom Weltmarktführer Vestas. Den osteuropäischen Markt erschließt Vestas von Wien-Schwechat aus, Bulgarien ist gegenwärtig ein Schwerpunkt. Deshalb hat Vestas in dem Dorf Bulgarevo am Kap Kaliakra ein großes Lager für Fundamente, Turmmodule, Naben, Rotorblätter und Stromhäuser eingerichtet. „Diese Teile werden zum großen Teil in unseren Werken in China und Vietnam gefertigt, mit dem Schiff zum bulgarischen Schwarzmeer-Hafen Varna gebracht und von dort mit Sondertransporten hierher ins Lager geliefert“, erklärt Kai Vogelhaupt von Vestas Österreich. „Nur wenn wir eine ausreichende Anzahl von Teilen vor Ort haben, können wir sie pünktlich den Windparks liefern.“

Die Exportoffensive österreichischer Windkraftunternehmen nach Osteuropa hält IG-Windkraft-Obmann Martin Steiniger für eine direkte Folge von Österreichs energiepolitischem Schlingerkurs der letzten Jahre. Seit der für die Branche abträglichen Ökostromnovelle von 2006 würden auf dem heimischen Markt so gut wie keine Windkraftanlagen mehr errichtet, das in eineinhalb Jahrzehnten erworbene Know-how österreichischer Unternehmen komme deshalb fast ausschließlich im Ausland zur Anwendung, kritisiert er.

Appell an österreichische Politik

Die Einspeisevergütung für Ökostrom in Bulgarien liegt mit 9,5 Eurocent pro Kilowattstunde knapp zwei Cent über dem in Österreich erzielbaren Preis. Der Geschäftsführer von Windkraft Simonsfeld, Martin Steininger, und seine Kollegen hoffen nun auf die geplante Ökostromnovelle, die Investitionen auch wieder im eigenen Land möglich machen soll: „Wir brauchen endlich angemessene Einspeisevergütungen auf europäischem Niveau, nur so können wir die im Ökostromgesetz als Ziel festgelegten 700 Megawatt bis 2015 erreichen“, fordert er. Steininger schätzt das nötige Investitionsvolumen auf 1,3 Mrd. Euro.

Zeigen sich die österreichischen Unternehmen mit den Investitionsbedingungen im Balkanland Bulgarien im Vergleich zur Alpenrepublik Österreich zufrieden, so kritisieren Aktivisten der bulgarischen Umweltschutzorganisation „Sa da ostane priroda v Bulgaria“ (Damit in Bulgarien Umwelt erhalten bleibe) die Energiepolitik ihrer Regierung als „Katastrophe“.

Sie werfen dem Kabinett von Ministerpräsident Sergei Stanischew eine zu starke Fixierung auf milliardenschwere Großprojekte wie das Atomkraftwerk Belene vor und plädieren für eine stärkere Förderung erneuerbarer Energie und eine Erhöhung der Energieeffizienz. Nur so könne laut Meinung der Umweltschützer verhindert werden, dass es im Jahr 2050 in Bulgarien ein subtropisches Klima gibt, wie das die Bulgarische Akademie der Wissenschaften für möglich hält.

Auf einen Blick

In Bulgarien sind die
Einspeisetarife für Windkraftbetreiber attraktiver als in Österreich. Das lockt viele Investoren ins Land des Balkangebirges. Sieben Projekte österreichischer Windkraftbetreiber sind in Bau oder Planung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2008)

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