Der Krampf um das heimische Wasser

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Die Privatisierung von Wasser ist für Wifo-Chef Aiginger kein Tabu. An den Stammtischen schon.

Kaum ein Thema ist in Österreich so sehr von irrationalen Ängsten begleitet wie das weiße Gold, das Wasser der Alpenrepublik. Seit zwei Jahrzehnten kochen immer wieder Gerüchte hoch, „die EU“ wolle heimische Reserven anzapfen und nach Italien oder Spanien ableiten. Ein angeblicher Plan aus Brüssel, die Privatisierung der Wasserversorger zu erzwingen, motivierte die Wiener SPÖ sogar zu einer Volksbefragung – obwohl davon in der EU-Richtlinie zur Ausschreibung von Dienstleistungen nirgends die Rede war.

So ist es also recht mutig von Wifo-Chef Karl Aiginger, die Worte „Wasser“ und „Privatisierung“ in einem Atemzug zu nennen (siehe Interview links). Für den Ökonomen ist die Wasserversorgung kein „nationales Grundbedürfnis“, sondern schlicht ein global „sehr knappes Gut“, das hierzulande vielerorts im Überfluss vorhanden ist. Deshalb solle man ungenutztes Wasser teilen – sei es, indem man es im Rahmen der Entwicklungshilfe verschenkt, sei es, indem man es an reiche Regionen verkauft – auch innerhalb Österreichs. „Ohne das steirische Wasser wäre Wien schlecht versorgt.“ Einen Verkauf ans Ausland brachte auch Heinz-Christian Strache in einem „Presse“-Interview vor zwei Jahren ins Spiel. Mit den Erlösen will der FPÖ-Chef die Staatsschulden abbauen.

Privat, aber reguliert. Weit weniger gefallen würde dem selbst ernannten Hüter des weißen Goldes Aigingers Vorstoß, man könne die Wasserversorgung auch ruhig privatisieren. „Das ist für mich kein Tabu“, offenbart der Wifo-Chef, wie auch ein Verkauf von Eigentum des klammen Landes Kärnten. Denn gesellschaftliche Ziele erreiche man „mit Regulierung oft leichter und billiger“ als durch staatlichen Besitz. Das Konzept heißt „Reregulierung“: Die Politik entkrampft die stark ideologiebeladene Diskussion um Staat versus privat dadurch, dass sie Privatisierungen mit Auflagen für den Erwerber abfedert. Handelt es sich um ein früheres staatliches Monopol, ist es notwendig, für Wettbewerb zu sorgen. Auch ein „Rosinenpicken“ gilt es oft zu vermeiden, bei dem der Erwerber – etwa ein Bahnbetreiber – nur lukrative Geschäftsteile weiter betreibt und die flächendeckende Versorgung vernachlässigt. Damit kommt der Staat weiter einer Art Gewährleistungspflicht nach.

Das eigentliche „gesellschaftliche Ziel“ (die Wasserversorgung oder ein Netz öffentlicher Verkehrsmittel) aber erfüllt der Private „besser und billiger“. In diese Richtung denkt auch Wifo-Forscher Michael Böheim. Er schlägt vor, Privatisierungserlöse in Forschung und Bildung zu investieren. Die Wachstumseffekte daraus „sollten höher sein als die Erträge aus öffentlichen Unternehmensbeteiligungen“ – was wiederum die Akzeptanz der Bürger für Privatisierungen fördere.

Mythen

1994. FPÖ-Chef Jörg Haider meint vor der EU-Volksabstimmung, die EU wolle Österreichs Wasser ableiten. Dabei galt schon damals das Vetorecht jedes EU-Mitgliedstaats bei Entscheidungen zu Wasserressourcen.

2012. Volksbefragung der Wiener SPÖ über die Privatisierung der Wasserversorger. Anlass war eine EU-Richtlinie, in der von Wasser nicht die Rede ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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