Voest: „Mexiko ist das bessere Brasilien“

Die Arbeiter in Donawitz bekommen bald das Vormaterial aus Texas.
Die Arbeiter in Donawitz bekommen bald das Vormaterial aus Texas.(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Die Voestalpine expandiert stark in Nordamerika und nützt dabei die günstigen Energiekosten. Die Werke in Übersee sichern die österreichischen Standorte ab.

Wien. Eine Fabrik in Amerika? Als die Voestalpine genau heute vor 20 Jahren an die Börse ging, war diese Idee eine Utopie, denn der Stahlkonzern hatte andere Sorgen: Gerade den Tiefen des Beinahe-Ruins der dunklen Siebziger- und Achtzigerjahre entkommen und nach wie vor fest im Griff des Staats, glaubten nur wenige an die Zukunft der Linzer. Und heute? Es hat sich nicht nur der Aktienkurs – trotz aller Turbulenzen infolge der Finanzkrise – versechsfacht. Auch die Fabrik in Amerika gibt es: Die mit 550 Mio. Euro bisher größte Auslandsinvestition der Voestalpine ist fast fertig, und Konzernchef Wolfgang Eder treibt die Expansion in Nordamerika weiter voran.

Im Fokus steht – neben den USA und Kanada – Mexiko. Dort wird der Aufbau einer Autoteilefertigung geprüft. „Mexiko ist einer der wichtigsten Zukunftsmärkte in den beiden Amerikas – das ist das neue Detroit“, sagte Eder am Mittwochabend. Und: „Mexiko ist inzwischen das bessere Brasilien.“ Bei der Verlagerung von Autoproduktionen dorthin „werden wir mit dabei sein“. Auch im Edelstahlbereich sind Investments angedacht.

Wichtiger Absatzmarkt

„Amerika ist für uns in den vergangenen Jahren mit knapp einer Milliarde Umsatz schon ein ganz wichtiger Markt geworden“, betonte Eder. Von den weltweit 47.500 Mitarbeitern sind 2857 in Nordamerika beschäftigt, wo die Voestalpine insgesamt schon 64 Standorte hat. Zudem befänden sich 13 Prozent der Voestalpine-Aktien in Händen amerikanischer Anleger.

Die Oberösterreicher, die seit 15 Jahren ihre Strategie konsequent weg vom reinen Stahlproduzenten zum Verarbeiter von Stahl zu Spezialprodukten ausrichten, profitieren von den guten Geschäften mit der Automobilindustrie. Die höheren Zulassungszahlen bei Klein- und Mittelklassewagen in Europa lassen auch die Kassen der Voestalpine als Zulieferer klingeln. Der Konzern liefert Karosserieteile an alle großen europäischen Premiumhersteller. BMW und Daimler haben angekündigt, in Mexiko massiv investieren zu wollen. Und der deutsche Stahlkonzern Thyssen Krupp hat im Frühjahr ein neues Werk in Mexiko eröffnet.

Verdreifachung des Umsatzes

Das Ziel ist klar gesteckt: Bis 2020 will die Voestalpine den Umsatz in Nordamerika auf drei Mrd. Euro mehr als verdreifachen. Dieser Vorgabe liegt allerdings die Prognose aus 2012 zugrunde, wonach sich der Konzernumsatz bis 2020 auf 20 Mrd. Euro verdoppeln soll. Diese Zahl sei angesichts der Verwerfungen in der Weltwirtschaft nicht mehr in Stein gemeißelt und werde gerade überprüft, hat Eder gesagt.

Derzeit werden noch 78 Prozent des Konzernumsatzes in Europa erwirtschaftet und erst neun Prozent an den 64 Standorten in Nordamerika. Dieses Verhältnis soll sich in Zukunft weiter zugunsten von Nordamerika – und auch anderer Auslandsmärkte – verschieben. Denn nicht nur die Voestalpine leidet unter den hohen Energie- und Arbeitskosten in Europa, die der Industrie trotz Rationalisierungen und Produktivitätssteigerungen das Leben schwer machen. So kostet etwa Strom doppelt so viel wie in den USA, bei Erdgas liegt Europa sogar dreimal über dem US-Niveau. Und so hat die Voestalpine errechnet, dass das in Corpus Christi (Texas) errichtete Werk zur Produktion von Eisenschwamm in Linz um rund 200 Mio. Euro teurer wäre. Zum Vergleich: So viel hat die Stahldivision operativ im vergangenen Geschäftsjahr verdient.

Viele energieintensive Industrien verlagern daher Produktionen ins Ausland bzw. sie errichten neue Werke nicht mehr in Europa. Die Kostenersparnis ermöglicht den Konzernen, die Werke in Europa weiterbetreiben und die Arbeitsplätze erhalten zu können. Der Schluss ist daher nicht von der Hand zu weisen, dass die Fabrik in Texas die Standorte in Linz und Donawitz absichert.

In Texas sollen ab 2016 jährlich zwei Millionen Tonnen Eisenschwamm erzeugt werden. Fast die Hälfte wird per Schiff an die Werke in Linz und Donawitz zur Weiterverarbeitung geliefert. Der Rest geht an Kunden, die die Voestalpine zum Teil schon unter Vertrag hat. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2015)

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