OMV: Mehr Geld, mehr Risiko, mehr Russland

PK OMV AG 'ERGEBNIS 1. HALBJAHR': SEELE
PK OMV AG 'ERGEBNIS 1. HALBJAHR': SEELEAPA/HANS KLAUS TECHT
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Der neue OMV-General, Rainer Seele, räumt um. Alte Baustellen werden geschlossen, die russische Gazprom wünscht er sich als Partner „von Sibirien bis mitten nach Europa“.

Wien. An Selbstbewusstsein mangelt es dem neuen OMV-Chef, Rainer Seele, mit Sicherheit nicht. „Ich glaube, die Mitarbeiter bei der OMV haben auf mich gewartet“, sagt er einen guten Monat nach Amtsantritt im Gespräch mit der „Presse“. Das Team sei exzellent, zuletzt aber „blockiert gewesen durch die Beschäftigung mit sich selbst“.

Viel deutlicher hätte der Norddeutsche nicht mit der jüngsten Vergangenheit im teilstaatlichen Konzern abrechnen können. Zur Erinnerung: Das Unternehmen litt im vergangenen Jahr nicht nur unter dem schwachen Ölpreis, sondern auch unter dem medial ausgetragenen Machtkampf im Vorstand, der letztlich zum vorzeitigen Abgang des damaligen OMV-Generals Gerhard Roiss geführt hat. Und Seele schießt nach: Künftig sei „auch soziale Kompetenz im Vorstand notwendig“.

OMV muss profitabler werden

Aber nicht nur atmosphärisch will der Chemiker einiges anders machen als sein(e) Vorgänger. „Wir brauchen Veränderung“, betonte er am Mittwoch bei der Präsentation der Halbjahreszahlen des Konzerns. Mit dem drastischen Einbruch bei Ölpreis, Umsatz und Gewinn (siehe Infokasten) fehlt es ihm nicht an Argumenten für eine Neuausrichtung. Bis Anfang kommenden Jahres soll die neue Strategie stehen. Zwei Dinge sind aber schon heute klar: Die OMV muss profitabler werden – und sie wird dafür mehr Risiko nehmen müssen.

Am Mut zu raschen Entscheidungen wird es nicht mangeln. Einige Baustellen hat der Ex-Wintershall-Manager schon in seinen ersten Wochen geschlossen: das umstrittene Engagement in der Adria ist Geschichte, die Beteiligung am riesigen Nordsee-Ölfeld Rosebank wird minimiert. Und auch für das einstige Liebkind von Gerhard Roiss – die Türkei – sieht Seele „eine schwierige Zukunft“.

Heute fördert die OMV 85 Prozent ihres Erdöls und Erdgases in politisch sehr stabilen (aber weniger gewinnträchtigen) Ländern wie Österreich, Norwegen, Rumänien oder Neuseeland. Das sei für einen internationalen Öl- und Gaskonzern „sehr vernünftig“, so Seele. Mit ihm solle die OMV wieder zu mehr Risiko finden. Und er lässt auch keinen Zweifel daran, wo er dieses Risiko sucht: in Russland.

Abmarsch Richtung Russland

Die OMV strebt eine Partnerschaft mit der russischen Gazprom „von Sibirien bis mitten nach Europa“ an. Dass Seele Kurs Richtung Moskau einschlägt, überrascht nicht, gilt der gebürtige Bremerhavener doch als enger Vertrauter der russischen (Wirtschafts-)Elite. Als Wingas-Chef arbeitete er jahrelang direkt für Gazprom. Im Nebenjob ist der 45-Jährige zudem Präsident der deutsch-russischen Außenhandelskammer. Ein erster Schritt in Richtung Russland ist auch bei der OMV bereits gesetzt: Das Unternehmen beteiligt sich am geplanten Bau der Gaspipeline Nord Stream II, die von Russland durch die Ostsee nach Deutschland führen soll. Die Pipeline sei ein „durch und durch europäisches Projekt“ und solle auch Gaslieferungen zum OMV-Gasknotenpunkt in Baumgarten sichern, hieß es. Dass die EU-Kommission bis dato wenig Freude am Projekt erkennen ließ, irritiert den OMV-General nicht. Letztlich ist die Nord Stream aber nicht viel mehr als ein Vorspiel für den heimischen Ölkonzern. Das große Geschäft erwartet sich die OMV in Sibirien. Wie berichtet, will sich das Unternehmen am westsibirischen Gasfeld Urengoy beteiligen, dem zweitgrößten Gasfeld der Welt.

Nicht nur seine Nähe zu Moskau, auch die ökonomische Vernunft sprächen für das Engagement in Russland, so Seele. Das zeigten auch die Versuche europäischer Branchenriesen wie Statoil oder Shell, allen politischen Wirren zum Trotz, gerade jetzt in Russland Fuß zu fassen. Der Grund dafür ist simpel: Verglichen mit anderen öl- und gasreichen Regionen ist der Einstieg in Russland derzeit um relativ wenig Geld möglich.

„Kein Sommerschlussverkauf“

Im Iran hingegen ortet der neue OMV-Chef eine etwas verfrühte Euphorie. Das nahende Ende der Sanktionen sei zwar eine gewaltige Chance für die Branche. Für eine nachhaltige Steigerung der Produktion im Iran seien jedoch Milliardeninvestitionen notwendig. Geld, das selbst die Ölkonzerne nicht so einfach auftreiben.

Bleibt also Russland. Aber was kann die OMV, die stets als zu klein für einen Einstieg in Russland galt, Gazprom im Gegenzug anbieten? Eine direkte Beteiligung an der OMV schloss Seele aus, stattdessen werde es künftig mehr gemeinsame Projekte und Töchter geben. Konkreter wurde er nicht. Bekannt ist das Interesse der Russen an einem Einstieg bei der Gasbörse in Baumgarten, bei der Raffinerie Schwechat oder bei der Gashandelstochter EconGas. Auch der OMV-Anteil an der Kunststofftochter Borealis wird als ein Filetstück des Konzerns gehandelt, das selbst die Miteigentümer aus Abu Dhabi gern ganz für sich hätten. Hier rückt Seele allerdings nicht von der Linie seiner Vorgänger ab: „Wenn ich mir das Ergebnis der Borealis ansehe, ist meine Liebe dafür schon sehr groß. Ich mache sicher keinen Sommerschlussverkauf bei der OMV.“

IN ZAHLEN

Der Ölpreisverfall schlägt sich in der Halbjahresbilanz der OMV deutlich nieder: Der Umsatz sank um 40 Prozent auf 11,6 Mrd. Euro, der Betriebserfolg schrumpfte um die Hälfte auf 451 Mio.


Das Geschäft aus der Produktion
(Upstream) brach angesichts der schwierigen Lage in Libyen und im Jemen beinahe komplett weg (minus 83 Prozent auf 135 Mio. Euro). Ohne diese beiden Länder dürfte die OMV heuer nur 300.000 Fass Öl am Tag produzieren. Ausgeglichen wurde das vor allem durch die Raffinerien (Downstream), die ihren Ergebnisbeitrag auf 357 Mio. Euro verdoppeln konnten.

Besondere Sorgen bereitet der OMV derzeit auch der türkische Markt. Die konzerneigene Tankstellenkette Petrol Ofisi ist aufgrund von regulatorischen Eingriffen kaum profitabel. Noch schlimmer sieht es beim Gaskraftwerk im türkischen Samsun aus. Derzeit kostet Gas im Land mehr als der Strom, den die OMV dort daraus erzeugen will. Das Kraftwerk schreibt also Verluste. Ein Großteil der Abschreibungen in Höhe von 194 Millionen Euro entfällt auf Samsun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2015)

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