Schäuble: US-Währungspolitik für Europa „hochgefährlich“

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Wirtschaftsminister Rudolf Mitterlehner fordert in der Krise ein Gegenlenken der EZB mit der Notenpresse. Vizekanzler Michael Spindelegger schließt Volksabstimmung für Vertragsänderung aus.

Wien. „Ich muss vor der falschen Medizin warnen.“ Mit Vehemenz hat Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag bei einer Diskussionsveranstaltung im Außenministerium in Wien vor dem Anwerfen der Notenpresse gewarnt, um den Druck der Finanzmärkte von verschuldeten Staaten zu nehmen. Die USA hätten versucht, in dieser Weise gegenzulenken. „Das fruchtet seit zwei Jahren nicht.“ Wenn Europa jetzt diese Währungspolitik übernimmt, wäre das „hochgefährlich“.

Schäuble sieht nur eine Option. „Die Rückkehr zu Stabilität.“ Europa habe mit hohen Schulden jahrelang über seine Verhältnisse gelebt. Jetzt müsse gegengelenkt werden, um das Vertrauen der Märkte wieder zu gewinnen. Der Finanzminister warb bei seinen österreichischen Kollegen für eine EU-Vertragsänderung. Sie soll automatische Sanktionen für Defizitsünder, eine einklagbare Schuldenbremse und eine stärkere Aufsicht über die nationalen Haushalte durch Brüssel enthalten. „In der Grundkonstruktion der Währungsunion war die politische Union vorgesehen. Das haben wir dann nicht geschafft.“ Jetzt müsse Europa diesen Fehler bereinigen. Zentrale Forderung Schäubles ist die Stärkung des EU-Währungskommissars. Er soll ähnliche Durchgriffsrechte erhalten wie der Wettbewerbskommissar. Die Warnung von Standard & Poor's, das Rating der Triple-A-Länder zu senken, sei laut dem deutschen Minister der richtige Ansporn für die Staats- und Regierungschefs der EU, am Freitag die notwendige Vertragsänderung einzuleiten.

„Stabilität allein reicht nicht“

Während sich Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) mit Schäubles Vorschlägen weitgehend einverstanden zeigte, kritisierte Wirtschaftsminister Rudolf Mitterlehner (ÖVP) das von Berlin vorgegebene Krisenmanagement als zu einseitig. „Die alleinige Ausrichtung auf Stabilität reicht nicht“, so Mitterlehner. 15 Euroländer müssten jetzt ihre Budgets radikal sanieren. In Osteuropa sei zudem ein erhebliches Kreditproblem entstanden. Der private Konsum werde zurückgehen. „Angesichts der Irrationalität der Finanzmärkte wird man sich Gedanken über die Finanzierung der Staaten machen müssen“, so der Wirtschaftsminister. Entgegen der Linie der deutschen CDU, die auf die Fortsetzung eines Hartwährungskurses der Europäischen Zentralbank setzt, fordert Mitterlehner, „für eine gewisse Zeit Geld zu drucken. So wie es die USA auch machen.“ Das werde zwar zu einer höheren Inflation führen. Andernfalls werde es aber zu steigender Arbeitslosigkeit und zu sozialen Spannungen kommen. Schäuble konterte: „Ohne Vertrauen der Finanzmärkte gehen die Investitionen zurück“, dann gebe es auch kein Wachstum mehr. Deshalb trete er für die „vielleicht altbackene europäische Art“ ein, zuerst die Schulden zu reduzieren.

Gastgeber Michael Spindelegger, der im Außenministerium über die Zukunft Europas diskutieren wollte, hielt sich aus den Differenzen zwischen seinem Parteikollegen und dem Gast aus Deutschland heraus. Er bekannte sich allerdings klar zu den deutschen Forderungen nach einer EU-Vertragsänderung. Ob dafür eine Volksabstimmung in Österreich notwendig wäre, wenn ein Währungskommissar mit Durchgriffsrechten auf nationale Budgets ausgestattet werde, wurde er gefragt. Spindelegger sieht darin keinen Anlass für ein Referendum. „Wir brauchen eine Volksabstimmung im Fall einer Gesamtänderung der Bundesverfassung. Das sehe ich dadurch nicht.“

Schäuble legte einen Zeitplan für die Vertragsänderung vor. Innerhalb von vier Wochen soll ein Konvent die Änderungen beraten. Danach sollten die nationalen Parlamente die Beschlüsse ratifizieren. Ende 2012 sollte der neue Vertrag stehen.

Auf einen Blick

Differenzen. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble warb in Wien für eine EU-Vertragsänderung und einen strengen Sparkurs der Mitgliedstaaten. Wirtschaftsminister Rudolf Mitterlehner sieht darin eine zu einseitige Konzentration auf Stabilität. Er sprach sich für vorübergehende Interventionen der Europäischen Zentralbank aus. Sie soll ähnlich wie die US-Notenbank Geld drucken. Andernfalls würde sich das Wirtschaftsklima verschlechtern und soziale Spannungen könnten folgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2011)


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