Wie Krise und Sparpakete Italienern Optimismus rauben

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Italiens Premier Monti verlangt seinen Landsleuten viel ab. Steuern und Preise steigen, gestrichene Abgaben werden wieder eingeführt. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - vertrauen sie ihm noch am meisten.

Rom. Das Silvesterfeuerwerk über Rom – das hat diesmal dünner ausgesehen als gewohnt, nach zehn, zwölf Minuten war das meiste vorbei. Kein Vergleich zu den Ballereien von früher. Den Italienern ist derzeit nicht nach überschießender Fröhlichkeit zumute. Und nicht wenige haben offenbar zu Silvester das billigere Abendessen im Kreis der Familie dem luxuriösen „Cenone“ in den Restaurants vorgezogen.

Die Stimmung in Italien ist verhalten, gedrückt, von größerer Unsicherheit geprägt denn je. 500.000 Arbeitsplätze, rechnet die Industrie vor, hat die Krise seit 2008 bereits gekostet; weitere 300.000 werden noch wegfallen. Jeder dritte Jugendliche oder junge Erwachsene bis 24 hat schon jetzt keinen Job; im Lauf des Jahres wird er wegen der bereits begonnenen Rezession auch schwerlich einen finden. 70 Prozent der Unternehmer meinten Mitte Dezember in einer Umfrage, das Schlimmste stehe noch bevor.

Gleichzeitig drücken schwere Finanzlasten, auf den Staat wie auf die einzelnen Familien. Das Paket zur Sanierung der öffentlichen Finanzen, das die Regierung von Mario Monti den Landsleuten unter den Weihnachtsbaum gelegt hat, bringt dramatisch höhere Kosten für jeden. Steuern, Gebühren und Preise steigen, gestrichene Abgaben – auf Wohneigentum, also für achtzig Prozent der Italiener – werden wieder eingeführt.

Horrende Benzinpreise

Benzin ist bei knapp 1,80 Euro pro Liter angelangt – und die Italiener müssen zahlen, ob sie wollen oder nicht: Im Vergleich zu 2007 haben sie zwar 21 Prozent Treibstoff eingespart, was aber nichts gebracht hat: Die Zurückhaltung ist durch die steigenden Kosten längst wettgemacht.

Und was wird es bringen? Das ist angesichts der vielen Opfer, zu denen Regierung und Parlament die Italiener gezwungen haben, deren Hauptfrage. In den 1990er-Jahren, als der allzu ausgabenfreudige Staat schon einmal haarscharf am Bankrott vorbeischrammte, da ließen sich Einschränkungen leichter vermitteln: Damals winkte der Euro wie eine erlösende Zukunft. Heute ist nicht einmal das Ende der Krise absehbar, eine Zukunft schon gar nicht.

Monti begann Goodwill-Tour in Frankreich

So haben sich zu Silvester mehr als 13 Millionen Italiener, so viele wie bei erstrangigen Fußballspielen, vor den Fernseher geflüchtet, in die tröstenden Arme des Staatspräsidenten. Giorgio Napolitano, der 86-Jährige, verbreitet noch am vertrauenswürdigsten Hoffnung, er packt die Italiener aber auch bei der Moral, wie es sich kein anderer leisten kann: „Die Opfer sind nicht umsonst“, versicherte Napolitano: „Italien kann und muss es schaffen! Unsere Gesellschaft muss strenger und gerechter aus der Krise hervorgehen, dynamischer, zivilisierter und moralisch lebendiger, offener und unter größerem inneren Zusammenhalt.“ Da leuchteten wenigstens noch Perspektiven auf.

Italien kann auch von Glück sagen, dass es Mario Monti gefunden hat. Der Premier, der am Freitag mit einem Besuch bei Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eine Europa-Tour begonnen hat, um Italiens Sparwillen glaubhaft zu machen, hat im November mit Beliebtheitsraten von fast 80 Prozent begonnen. Einiges hat er seines strengen Haushaltspakets wegen eingebüßt, trotzdem vertraut ihm immer noch eine Mehrheit der Italiener. So viel Zustimmung wie der „Techniker“ im Ministerpräsidentenamt hat bisher kein Politiker gefunden.

Die politischen Parteien, faktisch ausmanövriert, versuchen vergeblich, sich daneben zu profilieren. Im Volk vermisst man sie auch nicht besonders. Derzeit sagt fast die Hälfte der Wähler, sie wüsste überhaupt nicht, wen sie gegebenenfalls wählen sollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2012)

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