VW: Die Niederlage des mächtigen Patriarchen

Piech, chairman of the supervisory board of Volkswagen is pictured during a welcome ceremony at the plant of German carmaker Volkswagen in Wolfsburg.
Piech, chairman of the supervisory board of Volkswagen is pictured during a welcome ceremony at the plant of German carmaker Volkswagen in Wolfsburg.(c) REUTERS
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Eigentlich wollte er die Karriere von Vorstandschef Martin Winterkorn beenden. Doch nach dem Machtkampf an der Konzernspitze steht VW-Aufsichtsratsvorsitzender Ferdinand Piëch als Verlierer da.

Wolfsburg/Wien. Einst genügte ein Halbsatz von ihm, um Managerkarrieren im Volkswagen-Konzern zu beenden. „Für Porsche war Wiedeking der Beste“, meinte Ferdinand Piëch etwa 2009, als Wendelin Wiedeking noch immer Vorstandsvorsitzender von Porsche war. Doch die Vergangenheitsform machte klar, dass seine Karriere beendet ist. Kurz darauf trat Wiedeking zurück. Und Bernd Pischetsrieders Job als VW-Vorstand beendete Piëch 2006 mit einem stummen Lächeln: Das gab er als Antwort auf die Frage, ob man Pischetsrieders Vertrag verlängern werde.

Jetzt aber muss der mächtigste Mann der Autoindustrie zum ersten Mal eine empfindliche Niederlage einstecken. Die sechs Wörter, mit denen er den aktuellen Volkswagen-Vorstandschefs, Martin Winterkorn, in die Pension schicken wollte – „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“ –, genügten diesmal nicht. Das sechsköpfige Präsidium des Aufsichtsrats entschied mit fünf gegen eine Stimme, dass Winterkorns Vertrag über 2016 hinaus verlängert wird. Eine Blamage für den Patriarchen der Familien Porsche und Piëch, dessen Wort bisher Befehl war.

Früher genügte ein stilles Lächeln

Die Krise begann überraschend mit den besagten sechs Worten in einem Zeitungsinterview vor einer Woche. Mit der „Distanz“ sei es um die Zukunft Winterkorns im Konzern gegangen, nicht um seinen aktuellen Job, erklärten Insider.

Bisher galt es als ausgemacht, dass Winterkorns Vertrag verlängert wird und er 2017 oder 2018 statt Piëch VW-Aufsichtsratsvorsitzender wird. Warum der Ziehsohn so plötzlich und überraschend bei seinem Förderer in Ungnade gefallen ist, weiß niemand. Möglicherweise ging es rein sachlich um die vor allem in den USA schwächelnde Kernmarke VW. Möglicherweise waren es aber auch rein persönliche Machtspiele.

Diesmal traf Piëch jedenfalls auf eine geschlossene Front: Die Angestelltenvertreter im Aufsichtsrat stellten sich hinter Winterkorn, und sogar die eigene Familie rückte öffentlich ab. Der Porsche-Clan ließ wissen, dass Piëch nur seine Privatmeinung kundtue.

Am Donnerstagnachmittag kam das Präsidium in Salzburg zu einem Krisentreffen zusammen. Winterkorn war beim Treffen ebenfalls anwesend. Am Freitag verkündete man das Ergebnis in einer kurzen Mitteilung: „Das Präsidium legt großen Wert darauf, dass Herr Professor Dr. Winterkorn seine Funktion als Vorsitzender des Vorstands auch weiterhin so aktiv und erfolgreich wie bisher verfolgt, und hat hierbei die uneingeschränkte Unterstützung des Gremiums.“ Das Präsidium werde dem Aufsichtsrat vorschlagen, Winterkorns Vertrag in seiner Februarsitzung nächstes Jahr zu verlängern. Wie lange der Vertrag dann laufen soll, ist allerdings offen. Piëchs Mandat als oberster Kontrolleur läuft noch zwei Jahre.

Die Arbeitnehmervertreter zeigten sich über die Entscheidung erleichtert. „Martin Winterkorn ist einer der fähigsten Manager der Automobilbranche – der Richtige, um das VW-Lenkrad weiter in Richtung Zukunft einzuschlagen“, erklärte etwa der Audi-Gesamtbetriebsratsvorsitzende, Peter Mosch. Den medial hochgespielten Konflikt erklärte der niedersächsische Ministerpräsident, Stephan Weil, am Freitag jedenfalls für beendet. „Die Diskussionen der vergangenen Woche waren nicht gut für Volkswagen“, sagte Weil, der Mitglied im Präsidium des VW-Aufsichtsrats ist. „Ich glaube, mit dem Beschluss ist diese Diskussion nun beendet.“

„Winterkorn angezählt“

Für den Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer ist die Schlacht bei VW noch nicht vorbei. Die geplante Verlängerung sei nur ein „Etappensieg“ für Winterkorn und ein Signal, „um zunächst einmal wieder Ruhe in den Konzern zu bringen“. Winterkorn sei noch immer angezählt. Ebenso aber Piëch, der am Freitag seinen 78. Geburtstag feierte.

Eine Niederlage musste Winterkorn dennoch verkraften. Donnerstagabend verfolgte er auf der Tribüne das Europa-League-Viertelfinal-Spiel des VfL Wolfsburg gegen den SSC Neapel. Wolfsburg verlor mit 1:4. (ag.)

AUF EINEN BLICK

Martin Winterkorn (Bild) geht als lachender Sieger aus dem internen Machtkampf mit Ferdinand Piëch hervor. Der Vertrag des Volkswagen-Vorstandsvorsitzenden wird über 2016 hinaus verlängert. Dafür hat sich das Präsidium des Aufsichtsrats geschlossen – gegen Piëch – ausgesprochen. Für den 78-Jährigen ist das eine empfindliche Niederlage. [ EPA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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