US-Kultmarke: Alles aus bei American Apparel?

American Apparel store in New York An American Apparel store in New York on Tuesday July 21 2015
American Apparel store in New York An American Apparel store in New York on Tuesday July 21 2015imago/Levine-Roberts
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Einst angesagt, droht der US-Kultmarke nun der Untergang. Zuletzt schaffte man es nicht einmal mehr, eine anspruchsvolle Frühjahrs- und Sommerkollektion auf den Markt zu bringen.

Los Angeles/Berlin. Ob weißes T-Shirt, pinke Tasche oder goldener Bikini. Mit unkonventioneller Werbung und hipper Bekleidung hat die amerikanische Bekleidungskette American Apparel modebewusste Herzen einst höher schlagen lassen. Doch diese Zeiten dürften der Vergangenheit angehören. Die US-Firma steckt in Schwierigkeiten – und zwar gewaltig.

Vor wenigen Tagen teilte der Hersteller mit Sitz in Los Angeles mit, an seinem eigenen Fortbestand zu zweifeln. Man sei sich nicht sicher, ob die Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten fortgeführt werden können. Selbst die Zugeständnisse der Kreditgeber dürften daran nichts mehr ändern.

Das einst wegen seines schillernden Gründers, Dov Charney, bekannte Unternehmen hat schon seit Längerem mit gehörigen Absatzschwierigkeiten zu kämpfen. Zuletzt schaffte man es nicht einmal mehr, eine anspruchsvolle Frühjahrs- und Sommerkollektion auf den Markt zu bringen. Unter anderem wegen „mangelnder modischer Neuerungen“ und Filialschließungen lahmten die Verkäufe. Im zweiten Quartal sank nicht nur der Umsatz, auch der Verlust wurde größer. Der Aktienkurs darbt schon seit Jahren dahin. Kosteten die Papiere auf ihrem Höhepunkt Ende 2007 immerhin noch rund 15 Dollar, dümpeln sie mittlerweile bei läppischen 0,17 Dollar dahin.

Gründer klagt Firma

Den Niedergang des vermutlich auch zu schnell gewachsenen Unternehmens (237 Geschäfte, 10.000 Mitarbeiter) versucht die neue Chefin, Paula Schneider, seit Jahresbeginn aufzuhalten. Nicht nur strukturelle Verbesserungen sollen die Firma wieder auf Kurs bringen. Auch am Image wird gearbeitet. Statt Damen in lasziven Posen zu zeigen, wird auf etwas bravere Plakatsujets gesetzt. Filialen werden neu gestaltet und sollen freundlicher wirken. Sie wolle American Apparel zu einem besseren Unternehmen machen, so Schneider.

Die Schwierigkeiten hat man damit aber noch lang nicht aus dem Weg geräumt. Probleme bereitet unter anderem der Gründer selbst. Zwischen Charney und dem Management könnte die Stimmung nicht schlechter sein. Seit seinem Rauswurf vor rund einem Jahr deckte der 46-Jährige die Modekette mit Klagen ein. Die Forderungen belaufen sich auf über 40 Mio. Dollar (35 Mio. Euro). Charney besteht etwa auf Urlaubsgeld und Schadenersatz für emotionalen Stress. Auch das nagt an der Liquidität der Firma, die zuletzt nur noch rund elf Mio. Dollar an Barmitteln zur Verfügung hatte.

American Apparel wurde 1989 von Charney im kanadischen Montreal gegründet und später nach Kalifornien verlegt. Das Unternehmen gilt als der größte amerikanische Kleidungshersteller, der auch in den USA produziert. Stets pries das Kultlabel seine fairen Arbeitsbedingungen an. Zwischen zwölf und 14 Dollar pro Stunde verdient ein durchschnittlicher Fabrikarbeiter dort. Die Auszahlung liege damit über dem Mindestlohn des Bundesstaates, wie es heißt. Wer besonders fleißig ist, kann sogar ein Jahresgehalt von 36.000 Dollar erreichen. Zusätzlich erhalten die Beschäftigten unter anderem finanzielle Unterstützung für ihr Mittagessen oder die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

Doch in der Vergangenheit machten auch Gerüchte von der Beschäftigung illegaler Einwanderer die Runde. Nicht nur einmal wurde Charney zudem der sexuellen Belästigung von Mitarbeitern bezichtigt. Aussagen wie „Ich bin ein dreckiger Typ, aber die Leute mögen das“, zeichnen das Bild seines Charakters wohl ganz gut. Im Juni 2014 wurde es dem Verwaltungsrat zu viel. Er setzte Charney vor die Tür. Ob das zu spät war, wird sich erst zeigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2015)

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