Glyphosat: Monsantos unbeliebte Cashcow

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Nächste Woche entscheiden die EU-Länder über die Neuzulassung des umstrittenen Pestizids. Im Vorfeld wird kräftig Stimmung gemacht. Wie gefährlich ist Glyphosat?

Wien. Glyphosat im Wasser, in der Muttermilch, im Urin. Und jetzt auch im Bier. Mit diesem Befund brachte das Umweltinstitut München das Pestizid in der Vorwoche erneut in die Schlagzeilen. In den 14 meistgetrunkenen Biersorten Deutschlands seien Rückstände von Glyphosat gefunden worden, gab der Umweltschutzverein bekannt.

Das reichte, um nicht nur in Deutschland einen Sturm der Entrüstung loszutreten. Auch in Österreich gingen die Wogen hoch. Glyphosat ist derzeit das umstrittenste Pflanzenschutzmittel. Die einen halten es für schwer schädlich, die anderen für unbedenklich. Ein Untergremium der Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnete es als „wahrscheinlich krebserregend“, die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hingegen sieht das genau anders. Wie gefährlich ist Glyphosat also?

Die Dosis entscheidet

Zunächst: Für Biertrinker besteht keine Bedrohung. Ein Erwachsener müsste an einem Tag rund 1000 Liter Bier trinken, um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzunehmen, kommentierte das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung den Fund. Da ist wohl der Alkohol die größere Bedrohung. Und: Wer sucht, der findet. Glyphosat ist das meistgebrauchte Pestizid der Welt. „Es ist keine Leistung, da Rückstände nachzuweisen“, sagt Roland Achatz von der AGES, der österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit. Entscheidend sei, ob die Dosis hoch genug sei, um eine Gefährdung darzustellen.

In diesem Punkt ist die AGES mit der EU-Agentur EFSA einig: Bei sachgerechter Anwendung sei Glyphosat für den Menschen weitgehend unbedenklich. Es schädige weder das Erbmaterial noch werde die menschliche Fortpflanzung negativ beeinflusst. Und es sei nicht krebserregend.

Wie passt das nun mit dem Befund der IARC zusammen, jener Unterorganisation der WHO, die das Pestizid als „wahrscheinlich krebserregend“ einstufte? Zusammen übrigens mit Fleisch, Schichtarbeit und Handys.

Die unterschiedlichen Befunde könnten auch in der Methode liegen. Das WHO-Gremium hat nämlich die Gefahr untersucht, die im schlimmsten Fall von Glyphosat ausgeht, allerdings unabhängig von der Dosis, die ein Mensch zu sich nehmen könnte. Die IARC berücksichtigt genau solche Faktoren. Und kommt damit freilich zu einem anderen Ergebnis („Die Presse“ berichtete bereits).

Dennoch herrscht unter Umweltschützern Alarmstufe Rot. Dass Glyphosat als Teufelszeug gilt, mag wohl auch daran liegen, dass der Unkrautvernichter eine der Cashcows des umstrittenen und äußerst unbeliebten US-Agrarkonzerns Monsanto ist. Monsanto setzt rund 15 Mrd. Dollar (13,8 Mrd. Euro) im Jahr um, davon etwa ein Drittel mit Pflanzenschutzmitteln, vor allem eben Glyphosaten, die unter der Marke „Roundup“ vertrieben werden.

Verlängerung um 15 Jahre

Die EU-Kommission will die Zulassung für Glyphosat demnächst um 15 Jahre verlängern. Anfang nächster Woche entscheiden die Mitgliedstaaten über einen entsprechenden Entwurf. Umweltorganisationen und Grüne wollen das um jeden Preis verhindern. Die EU-Kommission handle mit ihrem Vorschlag gegen die Gesundheit der Bürger und für die Interessen der Agrarindustrie, so die Grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek. Die Umweltschützer von Global 2000 wollen nun sogar Anzeige gegen Monsanto sowie das deutsche Institut für Risikobewertung und die EFSA erstatten.

Die Agrarkonzerne sehen das freilich anders. Umweltinstitut, Grüne und Team Stronach (auch dieses äußerte sich lautstark zum Glyphosat-Bier) wollten „nur Panik verbreiten, um ihre Interessen durchzusetzen“, kommentierte die Industriegruppe Pflanzenschutz, die die Interessen von BASF, Bayer, Monsanto, Syngenta und anderen in Österreich vertritt.

Zumindest diese beiden Seiten werden sich wohl nicht so schnell einig werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2016)

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