Dr. Sommer im Tiefflug

Na BRAVO! 50 Jahre Jugendkult
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Die Auflage der „Bravo“ sinkt, Rat gibt's auch online.

Tja, die „Bravo“ – die war einmal eine Zeitung, um die sich die Teenager rissen. Vor allem dann, wenn sie daheim verboten war. Aber irgendwo bekam man immer ein Exemplar. Und von wem, wenn nicht von „Dr. Sommer“, hätte man sich auch die Tipps in Sachen zwischenmenschlicher Regungen holen können und sollen, zumal in Zeiten, als solche Themen noch tabuisiert und von den Eltern zensuriert waren? Aber wie ist es heute um dieses Heft bestellt? Und: Wie geht es eigentlich „Dr. Sommer“?

Das Enttäuschendste zuerst: „Dr. Sommer“ hieß zuletzt Jutta Stiehler und war 16 Jahre lang die Leiterin der Redaktion, die mit ihren Tipps Generationen von Jugendlichen vor peinlichen Fragen an Freunde oder Eltern bewahrt hat. Im April 2014 wurde Stiehler im Zuge von Sparmaßnahmen entlassen. Die delikaten Fragen beantworten seither freie Mitarbeiter. 2014 wurde auch entschieden, das Blatt nur mehr 14-tägig erscheinen zu lassen. Die Bauer Media Group, die die „Bravo“ und ihre Ableger herausbringt, begründete das mit einer „neuen strategischen Ausrichtung“. Das Jugendmagazin solle zum „Social Magazine“ werden. Gleichzeitig sollte die Print-Ausgabe mit mehr Seiten, mehr Hintergrund- und Service-Stories punkten. Und mit einem festen Umschlag – das vermittelt haptisch das Gefühl einer besseren Qualität.


Zwinker-Smileys von der Chefin. 82 Seiten hat die aktuelle Ausgabe. Auf dem Cover springen einem „die Lochis“ entgegen – 17-jährige Zwillinge und YouTuber, die jetzt auch Musik machen, die „Bravo“ meldet ein „Exklusiv-Interview“. Die Aufmachung passt: Das Heft richtet sich an eine sehr junge Zielgruppe. „Nadine“ (hier ist die Chefredakteurin mit ihren Lesern per Du) erklärt in einem Mini-Vorwort, dass das Heft „schon unfassbare 60 Jahre alt“ sei und damals mit Marylin Monroe am Cover erschienen ist. „Frag mal deinen Opa, der kann sich an das Sex-Symbol von früher bestimmt noch gut erinnern“, rät sie – mit Zwinker-Smiley. Es folgt ein Sammelsurium an Themen: Geschichten über Social-Media-Millionäre, eine Foto-Love-Story („Schnief!“, „Ha! Ha!“, „OMG!“), Mode- und Fitnesstipps, Poster zum Herausnehmen, ein Persönlichkeitstest („Wie selbstbewusst bist du wirklich?“) und sieben Seiten „Dr. Sommer“, samt Fotos von zwei jungen Leuten, die sich nackt zeigen und erklären, dass sie mit ihrem Körper „sehr zufrieden sind“.

Seit einem Relaunch des Internet-Auftritts der „Bravo“ führt „Dr. Sommer“ ein digitales Doppelleben – und beantwortet nun auch online Fragen wie: „Bei welchen Sexstellungen kommen Jungs am schnellsten?“ oder „Wo kauft man am besten Kondome?“. Die „Bravo“ will das junge Publikum dort abholen, wo es heute häufiger anzutreffen ist: online und in sozialen Medien. Fünf Millionen Online-Visits zählte die Seite im Juli 2016. Die Print-Auflage ist seit Jahrzehnten im Sinkflug. Die Anzahl der durchschnittlich im Quartal verbreiteten Ausgaben sank von einer knappen Million im Jahr 1998 (bei wöchentlicher Erscheinweise) auf zuletzt nur noch 132.128 Stück (im 1. Quartal 2015).

„Bravo“ heute

Print und Online. Die Print-Auflage ist seit Jahrzehnten im Sinkflug. Die Anzahl der durchschnittlich im Quartal verbreiteten Ausgaben sank von einer knappen Million im Jahr 1998 (bei einer wöchentlichen Erscheinweise) auf zuletzt nur noch 132.128 Stück (bei einer zweiwöchentlichen Erscheinweise). Seit einem Relaunch führt „Dr. Sommer“ ein digitales Doppelleben – und beantwortet nun auch online Fragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2016)

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