Maria Theresia, die Pragmatikerin unter den Habsburgern

Die richtige Sitz- und Schreibhaltung: Anleitung zum Schönschreiben unter Maria Theresia, 1775.
Die richtige Sitz- und Schreibhaltung: Anleitung zum Schönschreiben unter Maria Theresia, 1775. (c) ÖNB
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Die Ausstellung „Maria Theresia. Habsburgs mächtigste Frau“ in der Österreichischen Nationalbibliothek zeigt musterhaft anhand von Büchern, Dokumenten, Bildern und Schmuckstücken die Vielschichtigkeit des aufgeklärten 18. Jahrhunderts.

Dicht an dicht stehen die Zuschauer am Graben in Wien, an allen Fenstern der festlich geschmückten Bürgerhäuser drängen sich die Menschen. Vereinzelte haben sich sogar auf die Dächer gewagt, um den Festzug der High Society unten zu beobachten. Im Mittelpunkt steht eine Frau, doch man muss zweimal hinsehen, um diese winzige Figur auf dem Wimmelbild zu entdecken: Links von der Pestsäule sitzt eine 23-Jährige in einer gläsernen Sänfte, in Seidenrobe und royal mit Hermelin geschmückt, auf dem Weg zum Hochamt im Stephansdom und danach in die Hofburg zur Huldigung mit dem Treueeid.

Die Figur in dem Kupferstich von Georg Christoph Kriegl aus dem Jahre 1740 mag klein sein, doch es wird sich herausstellen, dass sie sich in den folgenden 40 Jahren zur großen Herrscherin des Habsburgerreiches entwickeln wird. Am 22. November 1740, bei der Erbhuldigung für Maria Theresia in Wien, begann ein bedeutendes Kapitel Weltgeschichte. Der mehr als einen Meter lange Kupferstich, der diesen Moment festhält, ist eines der imposantesten Bilder in der Schau „Maria Theresia. Habsburgs mächtigste Frau“, mit der die Österreichische Nationalbibliothek den Reigen von Ausstellungen zum 300. Geburtstag der Regentin beginnt.

Mehr als 160 Objekte werden im Prunksaal am Josefsplatz in 16 thematisch gegliederten Stationen der von Michaela Pfundner und Gabriele Mauthe kuratierten Ausstellung gezeigt, viele davon sind so exklusiv wie die erstmals öffentlich zu sehende „Erbhuldigung“. So hat man in den Beständen der Porträtminiaturen-Sammlung Kameen der kaiserlichen Familie entdeckt, geschaffen vom berühmten Steinschneider Philipp Abraham.

Das Hauptgewicht liegt bei Gedrucktem, Zeichnungen und Briefen. Vielschichtig erschließen sie diese Brückenzeit. Maria Theresias Vater, Karl VI., war noch ein barocker Kaiser, ihr Sohn Josef II., mit dem sie nach dem Tod ihres Gatten, Franz Stephan, 1765 die Herrschaft teilte, das Paradebeispiel des aufgeklärten Absolutisten. Dass er für die ihm zugeschriebenen Reformen überhaupt ein intaktes Reich vorfand, verdankte Josef der Mutter. Sie schaffte es, dass die Monarchie überlebte. Zwar wollte Karl VI. mit der Pragmatischen Sanktion sicherstellen, dass ihm die Tochter nachfolgte, doch nach seinem Tod 1740 machten sich europäische Mächte daran, das Vielvölkergebilde zu zerstückeln: „Die Königin von Ungarn wird ihrer Kleider beraubt“, heißt es unter einer Karikatur, die den Überfall auf Maria Theresias Reich als Vergewaltigung andeutet.

Sie musste Kriege führen, um sich zu behaupten, Preußenkönig Friedrich II. erwies sich über Jahrzehnte als gnadenloser Gegner. Sofort riss er Schlesien an sich. Er ist hier, so wie die Herrscherin, hoch zu Ross zu sehen. Großmachtspolitik bleibt in der Schau jedoch ein Nebenbei. Das Familiäre, das Leben bei Hofe (gut 2000 Menschen waren dort beschäftigt) und die vielen Reformen stehen im Mittelpunkt. Es ist erstaunlich, wie viele der Töchter sich als talentierte Malerinnen betätigten. Man kann anhand der Dokumente auch miterleben, wie die Erzherzöge erzogen wurden. Lehrbücher sind ausgestellt, darunter ein Blatt über die korrekte Art des Schreibens (siehe Bild). Ein ständiges Umziehen dürfte zum Herrscherleben dazugehört haben. Man bewegte sich je nach Saison zwischen den Residenzen, der Hofburg im Zentrum und jenen an Wiens Peripherie – Schönbrunn, Laxenburg, Schloss Hof. Die Möbel nahm man oft mit.

Das Land wurde neu vermessen

Stets im Zentrum: die Landesmutter, deren Widersprüche differenziert aufgearbeitet werden. Zensur war für diese streng katholische Frau selbstverständlich. Sie bekämpfte Protestanten, ließ Vertriebene großräumig umsiedeln. Sie erwies sich als Antisemitin und löste zum Beispiel 1744 die jüdische Gemeinde in Prag auf. Pragmatisch schränkte sie zudem den Einfluss der katholischen Kirche ein, wenn sie auch nicht so radikal war wie ihr Sohn. Die Regentin straffte den eigenen Haushalt, sie zeigte sich zugleich großzügig, vor allem gegenüber ihren Hofdamen.

In Erinnerung bleibt Maria Theresia vor allem wegen ihrer entschlossenen Maßnahmen zur Modernisierung des Staates – bis heute noch ist ihre Schulreform wirksam. Sie initiierte umfassende Neuerungen für Justiz, Militär, Ökonomie und Wissenschaft. Unter dieser für die Geschichte Europas bedeutenden Herrscherin wurde zum Beispiel das Land nach den neuesten Methoden systematisch vermessen. Auch diese Staatsaktion ist ein schönes Symbol für ihren Stil.

Bis 5. Juni 2017 im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Dienstag bis Sonntag, 10–18, Donnerstag bis 21 Uhr, Details unter: www.onb.ac.at. Katalog im Metroverlag um 29,90 €, 256 Seiten.

Info

Ab 22. Februar im Buchhandel erhältlich: das neue Heft von „Die Presse“ GESCHICHTE: „Maria Theresia – Österreichs große Herrscherin“, von Günther Haller. „Presse“-Abonnenten bezahlen statt 8,90 € nur 6,90 € für ein Exemplar. (Die Versandkosten sind inkludiert.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2017)

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