Martina Schloffer: „Ich kann als Beruf helfen, das ist doch genial!“

(c) Martina Schloffer
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In der Hand der engagierten Frau liegt die internationale Katastrophenhilfe des Roten Kreuzes.

Bei manchen Menschen merkt man binnen weniger Augenblicke, dass sie den richtigen Job haben. Martina Schloffer ist so ein Fall. Wenn sie von ihrer Arbeit beim Roten Kreuz erzählt, fällt es schwer, sich von ihrer sprühenden Begeisterung nicht anstecken zu lassen.

Eben noch ließ die 38-Jährige, die seit August für die internationale Katastrophenhilfe zuständig ist, ihre „Lehrjahre“ bei der Hilfsorganisation Revue passieren, da unterbricht sie sich plötzlich selbst: „Haben Sie heute schon dieses wunderbare Foto gesehen von den koreanischen Geiseln in Afghanistan, wie sie von unseren Leuten in Empfang genommen werden?“

Irak während der US-Invasion 2003, Libanonkrieg im Sommers 2006, Sri Lanka in den Tagen nach dem verheerenden Tsunami Ende 2004: Orte, an denen man nicht unbedingt sein möchte. Martina Schloffer war trotzdem dort. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet sie in verschiedensten Funktionen für das Rote Kreuz, eine Organisation, die oft als erste in einem Kriegs- oder Katastrophengebiet ist.

In 24 Stunden einsatzbereit

Nach dem Wirtschaftsstudium heuerte sie auf eine Stellenanzeige hin als Assistentin des Generalsekretärs an: „Dabei habe ich das komplette Rote Kreuz ,gelernt‘, von der Blutspende bis zur internationalen Hilfe.“ Der Weg von der WU zur Non-Profit-Organisation ist kürzer, als man denkt: „Wir müssen effizient arbeiten, in jedem Bereich braucht es Spezialisten, damit wir das Geld der Spender bestmöglich verwenden.“ Bald wusste sie aber, dass ihr das Büro nicht reicht, sie wollte „draußen“ sein.

2001 war es erstmals soweit, Martina Schloffer wurde als Teamleiterin nach Usbekistan entsandt, das unter einer Dürrekatastrophe litt. Dann ging es Schlag auf Schlag: Irak, Vietnam, Osttimor, Kambodscha. Von Eritrea wurde sie wegen des Tsunami sofort nach Sri Lanka abkommandiert.

Schlagartig aus den Lebensumständen herausgerissen zu werden, daran hat sie sich längst gewöhnt. Mit nur 24 Stunden Vorlaufzeit wurde sie während des Libanonkriegs nach Beirut geschickt: „Es ist, als ob ein Schalter umgelegt wird, die Vorbereitungen laufen fast automatisch ab.“ Das ist die organisatorische Seite, aber die psychische? Da kann man sich kaum vorbereiten, hat auch meist gar keine Zeit dazu: „Man weiß nur, jetzt geht es in ein Kriegsgebiet. Und man weiß, dass man damit fertig werden wird“, sagt Schloffer mit bezwingender Selbstsicherheit.

„I hob ka Angst“, fällt sie plötzlich in den Dialekt. Darf sie auch nicht: „Wen jemand von uns Angst hat, kann er seine Arbeit nicht mehr richtig machen. Dann wird man sofort abgezogen, weil man sonst den ganzen Einsatz gefährdet. Freilich tut die Organisation alles, damit Leute wie Martina Schloffer keine Angst haben müssen: Bevor die Helfer auf einen Einsatz wie den im Irak geschickt werden, gibt es intensives Training: „Da haben wir durchgespielt, wie man sich bei einem Feuergefecht oder einer Entführung verhält.“

Vor Ort sind die Helfer in ein Sicherheitsnetz eingebunden: „Wir haben Spezialisten im Hintergrund, die sich um uns kümmern.“ Und selbstverständlich gibt es strenge Regeln: In Bagdad durften die Helfer keinen Schritt zu Fuß machen, abseits der Arbeit standen sie aus Sicherheitsgründen quasi unter Hausarrest: „Da erkennt man dann sofort die langjährigen Profis, die haben ein Arsenal an Brettspielen mit.“

Psychologische Betreuung wichtig

Manchmal sind auch die besten Sicherheitsvorkehrungen zu wenig, dann müssen die Helfer schnellstmöglich raus: „Das ist das Schlimmste. Wir werden ausgeflogen, und müssen die Menschen ihrem Schicksal überlassen.“ Um damit fertig zu werden, gibt es intensive psychologische Betreuung. Damit keiner zum „Helden“ wird. „Wer raus geht, muss schon sehr in sich ruhen. Da darf keiner persönliche Probleme mitnehmen.“

Eine verständnisvolle Familie im Hintergrund ist dabei Goldes wert: „Natürlich denkt man oft daran, was das für die Angehörigen bedeutet, wenn Sie sich so oft Sorgen machen müssen.“ Sie rufe daher zuhause an, so oft es geht: „Es ist ja nicht nur mein Leben, das ich da beeinflusse.“ Mit eigenen Kindern vereinbar ist der Job jedoch kaum, das ist Martina Schloffer bewusst. Bisher hat sie ihre Entscheidung aber noch nicht bereut: „Ich kann als Beruf helfen, das ist doch genial! Ich weiß, wir können die Welt nicht retten. Aber für jeden Einzelnen dem wir helfen, macht es einen Riesen-Unterschied.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2007)


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