Thomas Rosenau, Antje Potthast: Zellulose ist das neue Erdöl - aber sie wächst nach

Antje Potthast, Thomas Rosenau
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Antje Potthast und Thomas Rosenau suchen Ersatz für fossile Rohstoffe: Ihre Forschungen an Zellulose und anderen nachwachsenden Rohstoffen sind Basis für eine erdölfreie Zukunft.

Ihr Arbeitsmaterial geht den beiden nie aus: Thomas Rosenau und Antje Potthast erforschen Zellulose, den Hauptbestandteil von Holz. Dass sie ein Christian-Doppler-Labor an der Wiener Boku als Doppelspitze leiten ist kein Zufall: Sie sind eines der wenigen Forscherehepaare des Landes, die gemeinsam arbeiten. Kennen gelernt haben sie sich in Dresden, seit zwölf Jahren sind sie in Wien.

„Irgendwann wird das Erdöl einfach alle sein“, sagt Antje Potthast, wenn sie erklärt, warum sie und ihr Mann Thomas Rosenau sich so für die Forschung an nachwachsenden Rohstoffen einsetzen. Das Tolle an ihren Forschungen im Christian-Doppler-Labor „Moderne Zellulosechemie und -analytik“ an der Wiener Universität für Bodenkultur ist, dass sie hier wirklich etwas bewegen können: „Man muss jetzt die Vorarbeit leisten, damit man, wenn es wirklich kritisch wird, nachhaltige Lösungen in der Hand hat.“

Rosenau sagt dazu: „Wir hören oft das Argument, es hieße seit 150 Jahren, dass fossile Rohstoffe irgendwann ausgehen werden, und bis heute sind sie immer noch da. Ja, und vielleicht halten sie auch noch weitere 150Jahre. Aber das ist eben Grundlagenforschung: Wir müssen uns jetzt damit beschäftigen, wie wir durch Zellulose und andere nachwachsende Rohstoffe alles ersetzen können, was derzeit auf Petrochemie basiert.“

Seit zwölf Jahren in Wien

Das ist nicht wenig: Die gesamte chemische Industrie hat fossile Rohstoffe (Erdöl, Erdgas, Kohle) als Basis. „Ob Materialien wie Plastik, Kunstfasern, Farben oder Pharmazeutika – all das muss es noch irgendwie geben, wenn die fossilen Rohstoffe mal aus sind.“

Potthast und Rosenau, die gemeinsam bei der „Austria'10“ in der Kategorie „Forschung“ nominiert sind, kamen 1998 nach Wien. Sie kennen sich seit ihrem Chemiestudium in Dresden und waren gemeinsam an der North Carolina State University in Raleigh, USA, an der der Weg nach Österreich geebnet wurde: Als Mitarbeiter des emigrierten Österreichers Josef Gratzl waren sie mit heimischen Firmen in Kontakt und wurden so Mitarbeiter der Boku in einem Vorläufer-CD-Labor. Inzwischen sind sie als Professoren fest in Lehre und Forschung verankert, er als Lehrstuhlinhaber „Holz-, Zellstoff und Faserchemie“, sie als Leiterin der Arbeitsgruppe „Biopolymer-Analytik“.

„Derzeit geht bei nachwachsenden Rohstoffen viel in Richtung Verbrennen“, sagt Potthast. „Das nennt man oft ,energetische Nutzung‘, es ist aber eigentlich pure Verschwendung.“ Denn Wärme und Strom bekommt man auch durch Solar-, Wind- oder Wasserkraft. „Aber bei der stofflichen Nutzung haben wir keine solchen Alternativen“, betont Rosenau: „Wir wollen aus Holz, Stroh oder Algen ganz neue Materialien oder auch Chemikalien machen.“ Verbrennen kann man den Rest ja immer noch.

Bisher laufen viele Projekte in diese Richtung, vor allem die sieben Module des neuen CD-Labors, jeweils mit potenten Wirtschaftspartnern, das achte Modul soll demnächst starten.

Die Finanzierung ist so zwar gesichert, bei öffentlichen Geldern sehen die Forscher aber riesigen Aufholbedarf im weltweiten Vergleich. Jedenfalls sind sie mit dem Standort an der Boku so zufrieden, dass sie heuer einen Ruf nach Berkeley, USA, abgelehnt haben: „Erstens haben wir hier eine tolle Arbeitsgruppe und seit zwölf Jahren Infrastruktur aufgebaut. Zweitens hatte die Entscheidung auch persönliche Gründe: Unser Sohn ist sechs Jahre alt, und wir wollten, dass er hier in die Schule geht.“

Das Leben als Ehepaar und gleichberechtigte Laborleiter genießen Potthast und Rosenau aber: „Kurze Informationswege“ erleichtern den Alltag. „Nur manchmal werde ich am Telefon für die Sekretärin gehalten“, erzählt Potthast. Aber beide durchbrechen gerne alte Denkstrukturen – und planen derzeit auch, wie man das verstaubte Image von Papier, Zellstoff und Holz bei Jung und Alt ändern könnte: „Mit dem Technischen Museum Wien planen wir eine Ausstellung, die den Hightech-Aspekt von Zellulose – wie faltbare Bildschirme, Bakterienzellulose, intelligente Textilien und vieles mehr – darstellt.“

AUF EINEN BLICK

Antje Potthast (*1970) und Thomas Rosenau (*1969) haben in Dresden studiert, sind seit 2003 verheiratet und leiten seit 2008 das Christian-Doppler-Labor für Zellulosechemie an der Boku. Zellulose soll zur Produktion von Plastik, Medikamenten etc. dienen.


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