Tulga Beyerle & Lilli Hollein: Eine neue Heimat für die Gestaltung

Tulga Beyerle Lilli Hollein
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Vienna Design Week. Mit ihrem Festival verankerten Tulga Beyerle und Lilli Hollein Wien auf der Design-Weltkarte.

Wien. Amerika ging es früher auch nicht besser. Damit man auf dem Globus aufscheint, muss man zunächst entdeckt werden. Und darauf kann man geduldig warten, so wie es die meisten weißen Flecken tun. Oder konsequent aufzeigen. Jedes Jahr wieder und heuer zum sechsten Mal: Die Vienna Design Week (sie läuft noch bis kommenden Sonntag) sendet Signale hinaus in die Welt der internationalen Designszene, aber auch nach innen, tief ins Selbstbewusstsein und Selbstverständnis der heimischen Designer und produzierenden Betriebe. Tulga Beyerle und Lilli Hollein sind die Leuchtturmwärterinnen, die dafür sorgen, dass Wien international wahrgenommen wird. Als Ort, an dem Gestaltung, ungewöhnliche Ideen und Zugänge sowie Tradition und Innovation gemeinsam ihren Fixplatz haben.

Beyerle und Hollein studierten an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Bis heute haben sie das Design in Österreich verändert. Und das, ohne der Welt je einen angreifbaren Stuhl oder eine Leuchte hinterlassen zu haben. Denn schon bald nach dem Studium waren ihre liebsten Materialien ihre Gedanken, die sie über das Design und die Designer formten. Beide hatten schon intensiv geschrieben, nachgedacht und diskutiert über die Dinge der Welt und jene, die sie prägen, als 2004 plötzlich Thomas Geisler, heute Designkurator am Wiener MAK, seine Master-Thesis auf den Tisch legte, auf dem Beyerle und Hollein wieder einmal an Projekten bastelten. Geisler hatte seine Arbeit über Designfestivals geschrieben. Und da kam bald die Frage auf: Kann auch Wien ein solches gebrauchen? Doch bevor sich die drei darüber einig waren, holten sie sich noch eine Menge begeistertes Feedback ab: aus der internationalen Designerszene, aus der sie 2006 als Organisatoren 30 Proponenten zu einer Konferenz an der Angewandten geladen hatten. Als Begleitprogramm entstand damals schon das Kernformat des heutigen Festivals, die Passionswege. Dabei treffen Designer und ihre Ideen auf traditionelle Manufakturen samt traditionellem Know-how. Bekannte Namen wie Lobmeyr oder Wittmann sind bis heute regelmäßig darunter, aber auch schon mal der Luftballonspezialist oder der Bürstenerzeuger von nebenan und die Fleischerei, von der man bis vor Kurzem noch gar nichts wusste. 2007 fand schließlich die erste Vienna Design Week statt, parallel zu einer weiteren Konferenz, organisiert von der „Neigungsgruppe Design“, einem Verein, den Beyerle und Hollein gemeinsam mit Geisler gegründet hatten.

„Wir wollten nicht einfach nur eine weitere Designweek sein“, erzählt Hollein. Davon gab es schon genug zwischen Lodz und London. Sondern die eigenständige, unverwechselbare wienerische Form eines Design-Kulturfestivals. Und das genau dort, wo böse Zungen noch vor ein paar Jahren so etwas wie eine „Designpampa“ vermutet hätten. Nicht eine Produktschau wollte man sein, sondern lieber die Leistungsschau davon, was Design bewirken und verändern kann. Das „Prozesshafte“ rückte in den Vordergrund, das Experiment bekam seinen Platz. „Wenn es anders wäre, hätten wir auch keine Lust, es zu tun“, sagt Beyerle. Die Lust reichte schließlich schon für die sechste Ausgabe in diesem Jahr. Und die Lust der Besucher und Betrachter, die steigt sogar. Das zeigen die Zahlen und auch der internationale Nachhall. Egal, ob bei den  Designern selbst, in den Blogs oder in den Medien. Und auch vor Ort soll nichts einfach so verebben. Aus vielen Projekten sind bereits langfristige Kooperationen geworden. Ebenso wandert Jahr für Jahr das „Social Design“ engagiert durch die Wiener  Grätzel, um Anstöße zu geben, die im besten Fall höhere Wellen schlagen. Heute schauen die Direktorinnen der Vienna Design Week (Thomas Geisler widmet sich heute den Aufgaben im MAK) aus ihrem Büro im Wiener Stilwerk zufrieden auf die Designlandschaft da draußen. Sie hätten nicht gedacht, dass es so weit, und das so erfolgreich, kommt. Und auch nicht, „dass wir an dem Tag, an dem wir das Festival zusperren, schon beginnen, am nächsten zu arbeiten“.

Auf einen Blick

Tulga Beyerle studierte Industrial Design an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, wo sie auch unterrichtete. Sie kuratierte Ausstellungen, publizierte Artikel und Bücher zu Designthemen. Lilli Hollein ist Journalistin und Kuratorin, studierte Industrial Design an der Angewandten in Wien, war Kommissärin für die Architekturbiennale 2007 in São Paulo.


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