Michael Köhlmeier: Der Wortpfleger aus Vorarlberg

(c) Clemens Fabry
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Michael Köhlmeier schreibt seit nunmehr vier Jahrzehnten und hat ein beachtliches Œuvre geschaffen. Öffentlich tritt er nicht nur mit seinen Werken auf, sondern bezieht auch Stellung zu politischen Themen.

Sollte Michael Köhlmeier einmal in die Situation kommen, sich vom „lieben Gott“, wie er sagt, was wünschen zu dürfen, dann wäre es ein Wetter. Ein bestimmtes Wetter natürlich, und zwar im frühen Februar, wenn noch Schnee liegt und ein ordentlicher Föhn aufkommt, sodass die Wintermüden ein paar Stunden im T-Shirt draußen sitzen können. „In diesen Tagen ist ein Frühling“, sagt Köhlmeier, „wie er im Frühling nie sein wird.“ Der Föhn hat für Köhlmeier einen bestimmten Geruch, der sich nicht definieren lässt, eine bestimmte Atmosphäre, wenn er in einer warmen Welle auf einen zukommt. Bei Föhn, sagt Köhlmeier, kann er Heimat riechen.
Selbst von einzelnen Bruchstücken aus dem Alltag wie Wetter oder Düften erzählt der Vorarlberger wie von einem atemberaubenden Schauspiel. Zu einer guten Geschichte gehört eine gute Dramaturgie, sagte Köhlmeier einmal, und er selbst ist freilich ein Meister dieses Fachs. Für die Wahl zum Österreicher des Jahres wurde der 1949 in Hard am Bodensee geborene Schriftsteller in der Kategorie Kulturerbe nominiert.
Mit dem Geschichtenerzählen begann Köhlmeier in den frühen 1980er-Jahren, und seither hat er nicht nur ein enormes Arbeitspensum an den Tag gelegt, sondern sein Schreiben vielfältig ausgeweitet: Drehbücher, Theaterstücke, Lyrik, Novellen, Sagen, Hörspiele, Mundartlieder. „Deutsch ist eine sehr bilderreiche Sprache“, sagt Köhlmeier. Und unglaublich schwer: „Wie gelingt es einem Nichtdeutschen je, Deutsch zu lernen?“ Kleine Präfixe drehen die Wörter völlig um, es gibt so viele Mehrdeutigkeiten. Seine Sprache ist für Köhlmeier sinnlich, da kann sie im Vergleich zum Englischen noch so wortarm sein und sich für einen Italiener anhören, als bräche man Holz auseinander. „Ich habe mich mein ganzes Leben damit beschäftigt, mich um diese Sprache zu kümmern“, sagt Köhlmeier, der Wortpfleger und Sprachpraktiker.
Öffentlich tritt der Schriftsteller nicht nur mit seinen Werken auf, denn Köhlmeier hat Meinung, und zwar viel davon. Als dem iranischstämmigen Musiker Shahin Najafi eine Todes-Fatwa (Rechtsmeinung) aufgrund seiner Texte drohte, startete Köhlmeier einen Aufruf für Najafi: „Finden Sie Worte!“

Churchill und Chaplin

Und als der FP-Politiker Andreas Mölzer während des EU-Wahlkampfes im April die Union ein „Negerkonglomerat“ nannte, hat Köhlmeier angekündigt, ihn wegen Verhetzung anzuzeigen (die Staatsanwaltschaft Wien hat die Anzeige mittlerweile zurückgelegt). „Ich würde mich schämen, nichts dagegen zu sagen“, sagte der Schriftsteller damals. Der Stimmenzuwachs der Freiheitlichen bereitet ihm offensichtlich Unbehagen.
„Zwei Herren am Strand“ heißt sein neuer Roman, der Winston Churchill und Charlie Chaplin begleitet. Geschichte hat Köhlmeier seinen Lesern oft auf dem Silbertablett serviert. Sein Opus magnum „Abendland“ (2007) umfasst ein Jahrhundert, auch in „Die Abenteuer des Joel Spazierer“ (2013) ist die Lebensbeichte des namensgebenden Antihelden ein Stück Zeitgeschichte. In seinen Erzählungen seien auch Steine aus dem eigenen Leben zu finden, aber nie habe eine Figur ganz ihn selbst dargestellt.
Der Schriftsteller wohnt dort, wo er aufgewachsen ist – in Hohenems. Er ist mit der Schriftstellerin Monika Helfer verheiratet, vor über zehn Jahren verunglückte ihre gemeinsame Tochter Paula. Auch sie schrieb. Ihr Gedichtband „Maramba“ erschien posthum.


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