Forschung: „Verzicht hört halt keiner so gern“

Abfallwirtschafterin Marion Huber-Humer appelliert für mehr Bewusstsein in Sachen Müll – ob in Bezug auf unseren Umgang mit Nanomaterialien oder in der Megacity.

Dort, wo die Gesellschaft etwas nicht mehr brauche, sagt Marion Huber-Humer in ihrer Dankesrede, genau dort beginne ihre Forschung. Dass ihre Arbeit dabei höchste Relevanz besitzt, wurde jetzt wieder bestätigt: Huber-Humer wurde zur Österreicherin des Jahres in der Kategorie Forschung gewählt; sie ist Professorin für Globale Abfallwirtschaft an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien.
Wir kaufen etwas aus Rohstoffen Erzeugtes, packen es aus, nehmen es in Betrieb oder verzehren es und schmeißen es wieder weg. Oder scheiden es aus. Wir schaffen so eine Unordnung in der Welt, die Huber-Humer wieder umkehren will. Nachhaltigkeit war ihr schon früh ein Leitbegriff, auch wenn dieser zu ihrem Studienbeginn im Fach der Landschaftsplanung noch ungebräuchlich war. Ziel ihrer Forschung ist heute, möglichst viele der von uns zerstreuten Rohstoffe wieder zu sammeln und schonend nutzbar zu machen, kurzum: zu recyclen.

Nur Hälfte aller Handys wird recyclet

Typisches Beispiel sind Mobiltelefone, die wir in immer kürzeren Abständen gegen neue Modelle eintauschen; dabei können nur circa die Hälfte der in den Markt eingebrachten Geräte wieder gesammelt und entsprechend entsorgt werden.
Von der Auszeichnung zur Österreicherin des Jahres sei Huber-Humer überrascht worden, wie die 1971 geborene Wissenschaftlerin bei der Preisverleihung sagt – obwohl sie schon zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat, etwa für ihre Dissertation. Darin beschäftigte sie sich 2004 mit der Verringerung von Methanemissionen auf Abfalldeponien mittels Abdeckschichten aus Kompost. Huber-Humer hat betont, dass sie den Preis zwar allein entgegennehme, hinter ihrer Arbeit aber ein ganzes Team stecke – darunter viele junge Forscher, denen aufgrund der budgetären Situation an den Unis allerdings nicht mehr die Perspektiven geboten werden können, die sich ihr selbst vor etwa zehn Jahren als Dissertantin noch erschlossen haben.
Die Bedeutung ihrer Auszeichnung sieht sie darin, Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass jeder von uns täglich circa 1,3 kg Abfall produziert. Dieser enthält viele verwertbare Stoffe, aber auch Schadstoffe, deren Wirkung noch nicht absehbar ist. Huber-Humers besondere Aufmerksamkeit gilt winzigen, sogenannten Nanopartikeln, die in die Produktmatrix etwa von Kosmetika gebunden sind. Einmal entsorgt können sie ausgewaschen oder sonst wie freigesetzt werden. „Wir erzeugen viele dieser Nanomaterialien rein synthetisch oder versehen sie mit einer Oberfläche, wie sie die Natur nicht kennt. Die umweltrelevanten Auswirkungen sind deshalb kaum abschätzbar.“

Entwicklungspotenzial im Osten

Seit 2003 leitet Huber-Humer außerdem eine internationale Arbeitsgruppe zum Thema Deponiegas-Emissionen. In deren Rahmen findet Informationsaustausch rund um den Erdball statt – Österreichs Expertise in der Disziplin wird international geschätzt. Das Thema ist mittlerweile auch in Schwellen- und Entwicklungsländern höchst relevant: „Eine extreme Herausforderung sind die stark wachsenden Megacitys im Nahen Osten und in Asien. Dort fallen in einer Stadt pro Tag so viele gemischte Abfälle an wie in ganz Österreich.“ Die Recyclingraten seien noch äußerst gering. Huber-Humer warnt: „Wir alle sind von natürlichen Ressourcen abhängig. Wenn alle Menschen in Schwellenländern den Lebensstil anstreben, den wir im Westen vorleben, geht sich das nicht aus. Wir haben da noch keine große Lösung – und Verzicht hört halt keiner so gern.“
Ein aktuelles Projekt von Huber-Humer dreht sich übrigens darum, wie effizient die heimische Abfallwirtschaft ist. Dafür haben erstmals alle Lehrstühle zusammengearbeitet, die sich in Österreich mit Abfallwirtschaft beschäftigen. Ergebnisse werden zu Beginn nächsten Jahres veröffentlicht.

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