Eva Jantschitsch

Meisterin der subtilen Untergangsrevue

(c) Manfred Werner/Wikimedia Commons
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Nach zwei der besten österreichischen Popalben widmet sich Eva Jantschitsch alias Gustav der Theatermusik – von Faust über Raimund bis zur „Proletenpassion“.

Wien. „Rettet die Wale, und stürzt das System, und trennt euren Müll, denn viel Mist ist nicht schön“: Im Jahr 2004, als vom aktuellen Boom des Austropop noch lange nichts zu ahnen war, kam eine junge Musikerin aus Graz, die sich Gustav nannte – weil ihr Vater sie so genannt hätte, wenn sie ein Bub geworden wäre –, mit scheinbar naiven Zeilen wie diesen, von denen man nicht wusste, wie ernst oder wie ironisch gemeint sie sind.
Das verstörte und faszinierte. Die Musik dazu war so effektiv wie subtil: bald harscher, bald träumerischer Elektropop, der mit (revolutionärem) Pathos spielte, ohne es zu verleugnen, etwa in einer umwerfenden Variation über den alten Gassenhauer „We Shall Overcome“. Mindestens genauso gut war ihr zweites Album „Verlass die Stadt“, eine Beschwörung von Untergangsfantasien („Ich hab eine Sehnsucht nach der nächsten Katastrophe“), die in der unwirklich flirrenden Beschwichtigung mündete: „Alles renkt sich wieder ein.“ Und ein Geburtstagslied begann mit dem schlichten Satz „Das Leben ist kein Wunschkonzert“, es folgte eine lange Liste von Namen. Bitter.
Seither hat Eva Jantschitsch zum Leidwesen des österreichischen Pop kein „richtiges“ Album mehr gemacht, sie hat ihre kompositorischen und performerischen Kräfte vor allem dem Theater gewidmet: einer klugen, Goethes Welttheater behutsam sezierenden und aktualisierenden Variation über das „Faust“-Thema bei den Salzburger Festspielen 2011 etwa. Oder einer schillernden Burleske über Virginia Woolfs „Orlando“ im Theater Brut. Oder der Schachermaier-Inszenierung von „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ im Burgtheater 2012, für die sie die Raimund-Couplets mit Rap und Chanson konfrontierte, ohne ihnen die Zauberspiel-Naivität zu nehmen. Die Kritiker beklagten nur, dass sie diesmal nicht selbst sang . . .
In einem groß angelegten Projekt tat sie das sehr wohl: in „Proletenpassion FF.“, ihrer Bearbeitung der 1976 bei den Wiener Festwochen uraufgeführten „Proletenpassion“ von Heinz R. Unger und den Schmetterlingen. Sie nahm diese „Geschichte von unten“ sehr ernst, auch in ihrem Kitsch des langen Marsches, und ließ dabei spüren, dass dieser Zeigefinger-Gestus heute, einige historische Erfahrungen später, nicht mehr genauso funktionieren kann. „Da wird Wut sehr direkt artikuliert“, sagte sie in einem Interview: „So simple Erklärungen liegen mir normalerweise nicht. Aber dieser Mut zum pathetischen politischen Lied, der hat mich total überwältigt.“
Ähnlich wirksam gerieten zuletzt im Volkstheater ihre Lieder zu „Alles Walzer, alles brennt“, einer „Untergangsrevue“ im Volkstheater (Wiederaufnahme am 1. 11.) „Sie bietet Elegisches, Kämpferisches und Freches in raffinierten Songs“, schrieb der „Presse“-Theaterkritiker, „die der Revue nötige Rhythmuswechsel und Glamour verleihen“. An Theatermusik gefalle ihr, sagt Jantschitsch selbst, „dass man mit ihr relativ unkompliziert massive Emotionalität erzeugen kann. Was die Dramaturgie mühsam entwickeln muss, kann die Musik in 30 Sekunden hinstellen.“


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