Streit um zweisprachige Tafeln in Südtirols Bergen

(c) APA (Barbara Gindl)
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Wanderziele, die in Südtirol nur in Deutsch, nicht aber in Italienisch angeschrieben sind, sorgen für politische Verstimmung. Brauchen Wanderer zweisprachige Wegweiser?

ROM. Für Touristen geht auch im sonnigen Südtirol allmählich die Wandersaison zu Ende. Dafür schwärmen demnächst die Polizisten aus. Zwar werden auch sie Kameras tragen, aber auf Erinnerungsfotos legen sie es nicht an. Die Ordnungshüter sollen Beweise sichern. Sie sollen von den gut 60.000 Wegweisern auf Wald- und Bergpfaden jene ablichten, die gegen Recht und Gesetz verstoßen.

Die Sache klingt kurios, aber angesichts der Tatsache, dass die deutschnationalen Parteien in Südtirol immer mehr an Boden gewinnen und das Zusammenleben zwischen italienischer und deutscher Volksgruppe wieder konfliktreicher wird, gewinnt auch der Streit um die Wanderwegweiser eine grundsätzliche Dimension.

Die Frage lautet: Reicht es, wenn die Wanderziele auf den Wegweisern – wie bisher größtenteils üblich – in Deutsch angegeben sind, oder müssen auch die italienischen Flurnamen genannt werden – in derselben sprachlichen Gleichberechtigung, wie sie im zweisprachigen Südtirol für alle öffentlichen Akte vorgeschrieben ist?

Respektlosigkeit? Prostitution?

Der entsprechenden Anzeige einer linken italienischen Partei und dem Klagedossier des italienischen Alpenvereins geht nun die Staatsanwaltschaft nach. Doch auch die Touristiker wettern. Schilder aus politisch-ideologischen Gründen allein in Deutsch zu beschriften, das sei ein „Armutszeugnis sowie eine Respektlosigkeit gegenüber italienischen Südtirolern und Touristen“, sagt Hubert Dorfmann, Geschäftsführer des Südtiroler Landesverbands der Tourismusorganisationen. Dorfmann verweist darauf, dass Italiener mit 40 Prozent aller Gäste nur knapp unter den Deutschen (46 Prozent) liegen, und dass der Zustrom der Italiener wächst, der der Deutschen hingegen stagniert.

Die Politik reagiert empört. „Wir werden uns für den Tourismus nicht prostituieren“, sagt Landeshauptmann Luis Durnwalder, der an der Spitze der Südtiroler Volkspartei seit 20 Jahren die autonome Provinz regiert und sich als unbeugsamer Schützer der „deutschen Minderheit“ darstellt. Und der erstarkten Rechten – von jenen, die Südtirol nach 90 Jahren „römischer Fremdherrschaft“ am liebsten wieder nach Österreich eingliedern würden, sagt Vorkämpferin Eva Klotz: „Wenn man uns nicht in Frieden lässt, könnte der (deutschsprachige) Alpenverein ja auch sämtliche Wegweiser abmontieren. Was wäre dann?“

Südtirols deutschsprachiger Alpenverein ist laut der Verträge mit der Landesregierung der größte „Wegehalter“ in der Provinz Bozen. Die umstrittenen Wegweiser gehen also auf sein Konto. Nur: Stellt er die Schilder in privatrechtlicher Weise auf? Dann wäre er sprachlich frei. Oder im öffentlichen Auftrag, was ihn zur Zweisprachigkeit verpflichten würde?

Erinnerung an den Faschismus

Georg Simeoni, Chef des Alpenvereins, windet sich: Man habe die Schilder „immer nur in Rücksprache mit Gemeinden“ aufgestellt; die Landesregierung lasse es schon seit Jahrzehnten an klaren Gesetzen zu den Flurnamen fehlen.

Das stimmt. Luis Durnwalder hat das heiße Eisen der Ortsnamen bisher nicht angefasst. Bei den alten Südtirolern werden dabei nämlich unglückselige Erinnerungen an den Faschismus wach, als die Provinz mit Gewalt „italianisiert“ wurde. In Südtirols Freiheitlicher Partei – die ihren Namen und ihre Politik von Jörg Haider importiert hat – polemisiert man auch, mit dem Verlangen nach zweisprachigen Wanderwegweisern und nach einer „willkürlichen Italianisierung unserer heimischen Ortsnamen“ würden die „Untaten des Faschismus auferstehen“.

So kurios der Streit um die Wegweiser also aussieht, so tief sind die Abgründe unter ihm. Auch diese, nicht nur die schönen Gipfel, sind eine Südtiroler Spezialität.

LEXIKON

Die offiziellen Amtssprachenin Südtirol sind Deutsch und Italienisch, in manchen Landesteilen auch Ladinisch. Mitarbeiter von Ämtern sind gesetzlich zur Zwei- beziehungsweise Dreisprachigkeit verpflichtet. Ortstafeln und Verkehrsschilder sind großteils in Deutsch und Italienisch ange- schrieben, neuere Schilder oft nur in Deutsch. An klaren Gesetzen zu den Flurnamen mangelt es aber.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2009)

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