„Der Niedergang von Weltmächten macht Kriege wahrscheinlicher“

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Interview. Der deutsche Politologe Herfried Münkler erklärt, warum China den USA nicht als Ordnungsmacht nachfolgen wird, weshalb die EU in Gefahr und Russlands Rückkehr in Nahost für ihn nicht überraschend ist.

Erleben wir in diesen turbulenten Zeiten gerade die Herausbildung einer neuen Weltordnung?

Herfried Münkler: Wir wissen nur eines: Die alte Ordnung zerfällt. Daraus wird eine neue Weltordnung hervorgehen, sie ist vor unseren Augen jedoch noch sehr unbestimmt. Das ruft bei sehr vielen Leuten Angst hervor. Und diese Zukunftsangst ist selbst ein beschleunigendes Element bei der Veränderung weltpolitischer Konstellationen.


Ist die Angst nicht berechtigt? In der Geschichte war es häufiger so, dass der Aufstieg von Mächten Kriegsgefahr erzeugte. Wie gefährlich ist die jetzige Periode?

In der Geschichte kann man eher beobachten, dass der Niedergang von Weltmächten Kriege wahrscheinlicher macht, weil eine Reihe von Akteuren sich dann überlegt, wer denn die Stelle der niedergehenden Macht einnimmt. Das kann man im Falle des Ersten Weltkrieges gut sehen.

Sie meinen den Abstieg der Briten, der schon vor 1914 einsetzte.

Großbritannien war im 19. Jahrhundert eindeutig die Vormacht. Doch sobald seine Industrieproduktion im Vergleich zu den USA und auch zum Deutschen Reich sank, sobald es die Weltmeere nicht mehr so selbstverständlich beherrschte, standen andere in der Arena und fingen an, mit den Hufen zu scharren. Denselben Mechanismus können wir zur Zeit im Vorderen Orient beobachten, wo der Niedergang der USA als Ordnungsgarant dazu führt, dass sich der Iran als Schutzmacht der Schiiten, Saudiarabien als Schutzmacht der Sunniten in Stellung bringt und die Türkei neo-osmanische Träume aktiviert. All das muss schon Angst machen. Aber Angst hat eben auch einen paralysierenden und hysterisierenden Effekt: Und dann macht man genau das Falsche.

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