Novelle: Leutnant Gustl

Die Presse
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„Sie, Herr Leutnant, sein S' jetzt ganz stad.“ Was sagt er da? Mir sagt das so ein Hund! Ah, da heißt's rabiat sein. – Ein Stück Weltliteratur, erstmals erschienen in der „Neuen Freien Presse“ vom 25. Dezember 1900.

Wie lang wird denn das noch dauern? Ich muss auf die Uhr schauen . . . schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert. Aber wer sieht's denn? Wenn's einer sieht, so passt er gerade so wenig auf wie ich, und vor dem brauch' ich mich nicht zu genieren . . . Erst viertel auf zehn? . . . Mir kommt vor, ich sitz' schon drei Stunden in dem Konzert. Ich bin's halt nicht gewohnt . . . Was ist es denn eigentlich? Ich muss das Programm anschauen . . . Ja, richtig: Oratorium! Ich hab' gemeint: Messe. Solche Sachen gehören doch nur in die Kirche! Die Kirche hat auch das Gute, dass man jeden Augenblick fortgehen kann. – Wenn ich wenigstens einen Ecksitz hätt'! – Also Geduld, Geduld! Auch Oratorien nehmen ein End'! Vielleicht ist es sehr schön, und ich bin nur nicht in der Laune. Woher sollt' mir auch die Laune kommen? Wenn ich denke, dass ich hergekommen bin, um mich zu zerstreuen . . . Hätt' ich die Karte lieber dem Benedek geschenkt, dem machen solche Sachen Spaß; er spielt ja selber Violine. Aber da wär' der Kopetzky beleidigt gewesen. Es war ja sehr lieb von ihm, wenigstens gut gemeint. Ein braver Kerl, der Kopetzky! Der Einzige, auf den man sich verlassen kann . . .

Ah, ein Solo! Wer ist das? Alt: Fräulein Walker, Sopran: Fräulein Michalek . . . das ist wahrscheinlich Sopran . . . Lang war ich schon nicht in der Oper. In der Oper unterhalt' ich mich immer, auch wenn's langweilig ist. Übermorgen könnt' ich eigentlich wieder hineingeh'n, zur „Traviata“. Ja, übermorgen bin ich vielleicht schon eine tote Leiche! Ah, Unsinn, das glaub' ich selber nicht! Warten S' nur, Herr Doktor, Ihnen wird's vergeh'n, solche Bemerkungen zu machen! Das Nasenspitzel hau' ich Ihnen herunter . . .

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