Der neue Trend zur Selbstständigkeit

Franchising I. Es ist modern, Unternehmer und doch nicht allein zu sein – mit Franchising oder Direktvertrieb. Welches System besser passt, ist eine Frage der Risikofreude. Und des Ehrgeizes.

Auf einen Blick

Kommenden Freitag und Samstag findet in der Wiener Stadthalle die jährliche Franchisemesse statt. Schon jetzt rechnen die Veranstalter mit einem Besucherrekord. Denn plötzlich ist Selbstständigkeit eine für viele denkbare Option. Allen voran für die Jungen: Die meisten Besucher der vorjährigen Messe waren 21 bis 34 Jahre alt, gefolgt von den Gruppen der Umsattler und Frühpensionisten. Auffallend ist, dass vielen die Abgrenzung zwischen Franchise und Direktvertrieb unklar ist. Selbstständig sind beide, doch es gibt gravierende Unterschiede.

Wer macht was?
Ein Franchisenehmer (FN) ist ein Unternehmer mit vollem Risiko. Er genießt den Vorzug, auf eine etablierte Marke von Anker bis Zielpunkt aufzuspringen. Deren Systeme und Prozesse kann er einfach übernehmen. Doch er muss einen Standort für sein Lokal suchen, es finanzieren, Mitarbeiter einstellen und vor allem sein Geschäft ankurbeln. Für Marke und Marketingunterstützung führt der Franchisenehmer eine Einstiegs- und jährliche Franchisegebühren ab, die im Schnitt fünf bis zehn Prozent der Umsätze betragen. Wann und ob er die Gewinnzone erreicht, hängt allein von seinem unternehmerischen Geschick ab. Ein Fulltime-Job, hinter dem auch die Familie stehen muss, ist Franchise allemal.

Ein Berater im Direktvertrieb braucht kein Lokal. Auch er hängt sich an eine Marke, von Amway bis Tupperware. Nach kurzer Einschulung stürzt er sich sofort auf die Kundenakquise, die typischerweise im Familien- und Bekanntenkreis startet. Sein Verdienst sind die Provisionen auf seine Verkäufe. Das Risiko beschränkt sich auf eine Basisausstattung an Warenproben und Demo-Produkten. Startkapital benötigt er keines. Zwei Drittel der Berater üben ihre Tätigkeit im Nebenberuf aus. Es besteht Steuerpflicht ab dem ersten Umsatzeuro.

Groß versus klein
Beide Systeme sind in der Wirtschaftskammer vertreten, wobei die zügige Professionalisierung von Franchise auffällt. Beim Österreichischen Franchiseverband (ÖFV) kennt man aktuell 450 Systeme mit 66.000 Angestellten und einer Wertschöpfung von mehr als acht Milliarden Euro. Das Bundesgremium Direktvertrieb weist in seinem letzten Branchenreport von 2009 12.000 Berater und 540 Millionen Euro Umsatz aus. Derzeit vermutet man über 18.000 Berater, Umsatz unbekannt.

Lass mich nicht allein
Sich für einen Franchisegeber zu entscheiden ist ein sorgfältiger Prozess. Er beginnt bei der Auswahl der Branche (etwa Mode, Gastronomie, Bildung oder Sport), die auch den Finanzierungsbedarf determiniert. Eine Filiale für Lernquadrat einzurichten kostet weniger als eine für Nordsee oder Mrs.Sporty. Ein seriöser Franchisegeber überreicht Interessenten relativ bald sein Franchisehandbuch, das jeden Prozess bis ins letzte Detail beschreibt. Daneben gibt es vorvertragliche Aufklärungspflichten, etwa über Kalkulation oder Marketing. Ganz Sorgfältige stellen ihre Eleven in einer Filiale an und lassen sie dort lernen – sinnvoll ist das auch, wenn die sich nicht sicher sind, ob sie jeden Tag Zimt riechen wollen (Cinnabon).

Ein Berater im Direktvertrieb hat, wiewohl selbstständig, einen Teamleiter an seiner Seite. Der ist am Umsatz des Neuen interessiert und unterstützt ihn nach Kräften, schneidet er doch an dessen Provisionen mit. Der Teamleiter und der über ihm stehende Gebietsleiter arbeiten Vollzeit und leben von den Provisionen ihrer Schäfchen, weshalb vife Berater rasch mit dem Aufbau eines eigenen Beraternetzes beginnen. Für die Einschulung offerieren viele Anbieter knapp kalkulierte Verkaufskurse. Am Wifi gibt es eine eigene Direktvertrieb-Ausbildung (vier Module à 60 Euro), die der Bildungsscheck der WKO komplett abdeckt.

Geh hin in Frieden
Trotz aller wechselseitigen Bemühungen klappt es nicht immer. Viele Franchisenehmer unterschätzen die Länge der Durststrecke bis zur Gewinnzone. Zusperren müssen laut ÖFV nur zwei bis vier Prozent. Für den Franchisegeber ist es ein unangenehmer Imageverlust, verschwindet eine gebrandete Filiale wieder aus dem Straßenbild. Für den Franchisenehmer ist es eine persönliche Katastrophe, stecken doch all seine Ersparnisse und vielleicht auch ein Kredit im Geschäft.

Im Direktvertrieb sind jene Berater am erfolgreichsten, die mit Produkten des täglichen Bedarfs handeln. Kosmetika (Ringana) und Nahrungsmittel (Bofrost) drehen schneller als Teppiche (Vorwerk). Findet ein Berater keine Kunden, verschwindet er einfach wieder vom Markt. Persönlichen Schaden hat er (meist) keinen.

Franchisenehmer genießen den Vorzug einer etablierten Marke, müssen den Standort finanzieren, Mitarbeiter einstellen und das Geschäft ankurbeln.
Berater im Direktvertrieb brauchen kein Geschäftslokal. Auch sie hängen sich an eine Marke, das Risiko beschränkt sich auf eine Basisausstattung, Startkapital ist nicht nötig.

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