Wird das Auto zum Luxus?

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Kommt die Klassengesellschaft der Mobilität? Das autonome Fahren könnte das Auto unbezahlbar machen.

Wien. Bürger, die sich auch in Zukunft völlig frei – und vor allem – im eigenen Fahrzeug nach Belieben und zu jeder Zeit bewegen wollen, werden dafür wohl einen hohen Preis bezahlen. So lautet die (fast einhellige) Prognose namhafter Experten für Verkehr und neue Technologien. Den Rahmen dafür bot eine Veranstaltung der Gesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (GSV) in Wien, die Interessierten eine Idee darüber vermitteln sollte, welche Auswirkungen die inzwischen unzähligen Assistenzsysteme, die Vernetzung von Fahrzeugen auf Straße und Schiene, die zunehmende Digitalisierung des Verkehrs und letztendlich das autonome Fahren von Fahrzeugen auf unseren Alltag haben werden.

„Am Anfang wird das tierisch teuer werden“, glaubt Thomas Waschke. Einst war der Deutsche bei Mercedes-Benz in der Forschung (neue Mobilität) tätig, heute arbeitet er als Strategieberater im gleichen Fachgebiet. Sollte die „alte“ Industrie ihr Konzept vom Auto, so wie wir es heute kennen und nutzen, weiterverfolgen, würden selbstständig fahrende Fahrzeuge, miteinander vernetzte Pkw und damit verbundene Technologien wohl nur noch den zahlungskräftigsten Kunden vorbehalten bleiben. „In Sachen Mobilität werden wir eine Mehrklassengesellschaft erleben, in der der heutige Golf-Fahrer vorerst einmal nicht mit dabei sein wird.“

Zwei Euro pro Stunde zu wenig?

Insbesondere in Großstädten – die Bevölkerung und ihre Mobilitätsbedürfnisse auf dem Land wurden bei der Veranstaltung nahezu völlig ausgeklammert – ist offenbar mit noch viel stärkeren gestalterischen Eingriffen durch Verwaltung und Politik zu rechnen. Das immer wiederkehrende Argument lautet: Platz ist knapp und teuer. Mit Einzug der Computertechnik erwartet sich Markus Ossberger, Leiter der Stabsstelle Infrastruktur bei den Wiener Linien, Möglichkeiten zur effizienteren und intensiveren Nutzung des vorhandenen Straßennetzes. Schon heute sei es schließlich so, dass die Kapazitäten im öffentlichen Raum stark begrenzt seien. „Es stellt sich schon die Frage, ob zwei Euro für eine Stunde Parken noch gerechtfertigt sind.“ Pools von autonom fahrenden Autos, die womöglich nicht mehr den Nutzern selbst gehören, könnten Platz sparen. So käme man langfristig vielleicht sogar dazu, nicht mehr benötigte Infrastruktur zurückbauen zu können.

Auto als „Premium“-Produkt

Theoretisch, das hat die Veranstaltung gezeigt, ist viel möglich. Fahrzeuge, die sich selbstständig in die Garage bewegen, Flotten, die registrierten Nutzern zur Verfügung, aber nicht mehr in deren Eigentum stehen. Vor allem in Städten träumen Planer, und wohl bald schon auch Politiker, davon, den digitalisierten und vernetzten Verkehr so zu gestalten, wie sie es für richtig halten. Individuelle Mobilität im eigenen Auto scheint – zumindest langfristig – auf dem besten Weg in ein, wie Ossberger es beschriebt, „Premium-Segment“.

Als Interessensvertreter von über zwei Millionen Bürgern will Oliver Schmerold als Chef des ÖAMTC neuen Mobilitätskonzepten nicht im Weg stehen. Das Ende des Individualverkehrs sieht er nicht. Auch deshalb, weil sich dieser zu 200 Prozent selbst finanziere, der öffentliche Verkehr jedoch nur zu zehn Prozent. Er spricht sich dafür aus, diese hohe Investitionsbereitschaft der Autofahrer zumindest teilweise in öffentliche Mobilitätsservices umzuleiten. Wie? Dafür brauche es nun Ideen. (awe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2016)

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