Sackbauer – Sackmeier: Auch wenn mir der Gleichklang damals nicht auffiel, fühlbar war er schon. Denn sowie mit Edmund Sackbauer der Gemeindebaualltag ins Fernsehen einzog, holte Gretchen Sackmeier den – wenn auch sehr bürgerlichen – kindlichen Scheidungsalltag ins Kinderbuchregal. Zwei Tabus landeten im Wohnzimmer. Was heute no-na ist, war in den Achtzigern noch aha, nämlich die Erkenntnis, dass man nicht der/die Einzige ist, deren/dessen Eltern sich trennen. Die Gretchen-Trilogie, vor allem der erste Band, zeichnete ein realistisch-konkretes Bild einer nicht antiseptischen Kindheit: ängstliche Abendessenidyllen, überforderte Erwachsene, Kinder, die sich bemühen, die Ehe ihrer Eltern zu therapieren, mit ihrer Altklugheit aber bisweilen scheitern und nebenbei mit dem zu kämpfen haben, was sonst so zum Beginn der Teenagerzeit dazugehört: erste Sexualität oder Babyspeckrollen etwa. Das pädagogisch Wertvolle bei Nöstlinger, die nie pädagogisch wertvoll sein wollte, ist, dass ihre Dramen dabei nie Tragödien werden. Das liegt einerseits am geerdeten Humor, andererseits daran, dass – ganz wie im Sackbauer‘schen Gemeindebau – die Realität in verträglichen Dosen verabreicht wird. Genug, um den Kitsch zu vertreiben, aber nie so viel, dass das Unschuldige verloren geht. So kommt das Scheidungsbuch vorerst ganz ohne Sackmeier-Scheidung aus. Manchmal ist auch die Nöstlinger sehr Österreich. Gelesen von Ulrike Weiser
Oetinger Verlag