Finanzierungsmodell: Die Crowd als Verbündete

Im Vorjahr wurden von der Crowd rund 28 Mio. Euro für einschlägige österreichische Immobilienprojekte bereitgestellt.
Im Vorjahr wurden von der Crowd rund 28 Mio. Euro für einschlägige österreichische Immobilienprojekte bereitgestellt. (c) Getty Images/iStockphoto (MicroStockHub)
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Kleinere Entwickler setzen bei Crowdinvesting auf Diversifizierung, größere schätzen eher den Marketingeffekt.

Laut dem Vergleichsportal crowdcircus.com flossen im Vorjahr rund 28 Millionen Euro an Schwarmkapital in österreichische Immobilienprojekte. Das entspricht einem beachtlichen Plus von fast 93 Prozent gegenüber 2017. Das Finanzierungsmodell hat sowohl für die Anleger als auch für die Entwickler Vorteile: Erstere bekommen mehr Zinsen als auf dem Sparbuch, Letztere können ihre Finanzierung besser diversifizieren.

Über die Crowd könne das von den Entwicklern selbst aufgebrachte Eigenkapital weiter aufgestockt werden, sagt Tobias Leodolter, Mitgründer und CMO des Crowdinvesting-Portals Rendity: „Solange die Eigenkapitalrentabilität über den Kosten des Crowdinvestings liegt, zahlt sich das Ganze – allein schon aus finanziellen Überlegungen – für sie aus“, erklärt der Experte. Beispielsweise könnten Projekte früher ausbezahlt werden und die frei gewordenen Mittel für andere verwendet werden.

Marketinginstrument

Auffallend ist, dass zunehmend auch große Entwickler das Modell für sich entdecken. „Hier stehen eher Marktetingüberlegungen im Vordergrund“, weiß Leodolter. Eine Crowdinvesting-Kampagne eigne sich gut dafür, ein neues Projekt näher an die Leute heranzubringen. Ähnlich äußert sich Denise Smetana, Geschäftsführerin der Haring Group. „Wir sehen das Crowdinvesting einerseits als Ergänzung zu unserem Finanzierungsmix“, sagt sie. Andererseits sei es eine zusätzliche Möglichkeit, um Projekte in Wien, Österreich oder Deutschland bekannt zu machen. Mit dem Schwarmfinanzierungsmodell könne man etwa Zielgruppen, die als Käufer infrage kommen, direkter ansprechen.

Bei der Haring Group beschäftigt man sich seit 2016 mit Crowdinvesting. Damals wurde es genutzt, um das Wohnprojekt Basler Gasse im 22. Wiener Gemeindebezirk auf dem österreichischen Markt zu positionieren. Seit der Premiere ist bislang jedes Jahr ein weiteres Objekt gefolgt. Erst Anfang 2019 konnte das Projekt Ziegelhofstraße 64–66 in der Donaustadt mit einem Investmentvolumen von 500.000 Euro platziert werden.

JP Immobilien hat erstmals 2018 auf Schwarmfinanzierung gesetzt. Mit einem Betrag von 1,5 Millionen Euro teilfinanziert wurde das Projekt Renngasse 10 in der Wiener City. Dabei standen ebenfalls in erster Linie Marketingüberlegungen hinter der Entscheidung, räumt Martin Müller, Geschäftsführer von JP Immobilien, ein. „Das Projekt war eigentlich schon ausfinanziert“, sagt er.

Müller geht davon aus, dass künftig bei der Finanzierung von neuen Projekten drei Bausteine eine Rolle spielen werden: Bankkredite, Eigenkapital der Entwickler sowie alternative Finanzierungsformen wie Anleihen oder Crowdinvesting. „Ich glaube, dass die Banken auf längere Sicht etwas an Bedeutung verlieren werden“, meint der Experte.

Nicht ohne Risiko

Wie stark das Immobilien-Crowdinvesting in Österreich boomt, führt nicht zuletzt die Tatsache vor Augen, dass im Vorjahr nicht weniger als 22 der 25 volumenstärksten Crowdinvestment-Projekte dem Bereich Betongold zuzurechnen waren. Eine Abschwächung dieses Trends zeichnet sich nicht ab – was seitens der Investoren vor allem an den Renditeaussichten liegt. Laut Leodolter könnten bei Entwicklungsprojekten bei durchschnittlichen Laufzeiten von 18 bis 30 Monaten zwischen sechs und zehn Prozent pro Jahr lukriert werden. Mit Bestandsobjekten seien es – bei Laufzeiten von drei bis fünf Jahren – zwischen vier und 4,5 Prozent pro Jahr. Risikolos sind solche Investments allerdings nicht: Das von den Anlegern zur Verfügung gestellte Geld gilt nämlich als Nachrangdarlehen. Das bedeutet, dass im Fall einer Insolvenz des Bauträgers oder Entwicklers die Crowdinvestoren ganz nach hinten gereiht werden.

Müller schätzt das Risiko eines Totalausfalls aber als überschaubar ein, sofern einige Grundregeln beachtet werden. Dazu gehöre etwa eine eingehende Hintergrundrecherche zum Entwickler selbst und seinem Track Record. Auch das Projekt sollte sinnvoll sein. Das treffe beispielsweise auf kompakte Wohneinheiten, die in Wiener Außenbezirken in U-Bahnnähe realisiert werden – und entsprechend leicht zu vermieten wären – zu. „Das tausendste Luxusprojekt mit Großwohnungen in der Wiener City sollte dagegen mit Vorsicht genossen werden.“

AUF EINEN BLICK

Crowdinvesting ist ein Sammelbegriff für alle profitorientierten Formen des Crowdfundings. 2018 sind 97 Prozent des Marktvolumens in renditefokussierte Projekte geflossen. In fast drei Vierteln aller Fälle hat es sich dabei um Immobilienprojekte gehandelt. Bei den Entwicklern stehen Finanzierungs- und Marketingüberlegungen im Vordergrund, Investoren profitieren von ansehnlichen Renditen und leicht verständlichen Geschäftsmodellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2019)

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