Zentralasien rückt vom toten Winkel ins Zentrum

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Die fünf zentralasiatischen Staaten präsentierten sich beim Weltwirtschaftsforum in Wien als die neuen Investitionslieblinge, manchmal etwas ungelenk. Nur wenig hat sich die Welt bisher mit ihnen beschäftigt.

Wien. Wenn die Vertreter zentralasiatischer Staaten im Zentrum eines globalen Wirtschaftsforums stehen, so wirken sie noch ein wenig ungelenk. Nur wenig hat sich die Welt bisher mit ihnen beschäftigt. Nur wenig sahen sie sich bisher auch den forschen Fragen einer diskussionsverliebten Wirtschafts- und Politikelite des Westens ausgesetzt. Der Auftritt der zentralasiatischen Stan-Staaten beim gestrigen Global Economic Forum ähnelte daher in vielem einer Roadshow. Sagen, wer man ist. Sagen, wer man sein könnte. Ein Merkmal der Jugend eben. Erst 20 Jahre sind die fünf Stan-Staaten alt. Dazu lange im toten Winkel der Weltaufmerksamkeit. Und nun „am Wendepunkt“, wie es auf dem Forum hieß.

„Zentralasien hat die besten Chancen, in Zukunft neben den BRIC-Staaten der Liebling der Investoren zu werden“, meinte Victor Chu, Chef der First Eastern Investment Group aus Hong Kong und damit Vertreter eines BRIC-Staates. Es ist nicht nur China, das die Fühler Richtung Zentralasien ausstreckt, auch der Westen beginnt die Region zu entdecken. Die Russen wissen seit jeher, was sie birgt. Rohstoffe aller Art, vor allem Öl und Gas, reiche Wasserressourcen, zum Teil Wirtschaftswachstumsraten, die an Singapur heranreichen, und schließlich die geografische Lage für Transitrouten zwischen China und Europa.

„Gift der Korruption“

Nicht minder wiegt die Bürde, die auf den fünf Staaten lastet, wie Pierre Morel, EU-Spezialvertreter für Zentralasien betont: Dem Drogentransit aus dem benachbarten Afghanistan sei nur beizukommen, wenn die EU bei der Grenzsicherung helfe. Stabilität sei nur zu haben, wenn es Nulltoleranz in der Korruption gebe, die andernorts Auslöser für Revolutionen gewesen sei, und ein Rechtsstaat etabliert werde – woran Kirgisistan mutig arbeite. Vom „Gift der Korruption“ sprach denn auch sichtlich emotionell Kirgisistans Präsidentin Rosa Otunbajewa.

Im Grad der wuchernden Korruption gleichen die Länder einander, ansonsten sind sie heterogener als von außen wahrgenommen, zudem untereinander nicht immer grün und jedes auf Suche nach seiner Identität. Genau dieser Punkt beunruhigt die Investoren mindestens so sehr wie die Korruption. „Ohne regionale Kooperation sehe ich keine Entwicklungsmöglichkeiten für die Region“, hält Igor Fimogenov, Chef der Eurasian Development Bank, kategorisch fest: „Die Größe des Marktes ist für Investoren entscheidend.“ Das sieht auch Yerbol Orynbayev, Vizepremier von Kasachstan, so: „Die Region, die weit entfernt ist von den globalen Wirtschaftszentren, muss sich in die Weltwirtschaft integrieren und zuvor auch regional zueinanderfinden.“ Dass gerade Kasachstan als reichster und vermeintlich erster unter gleichen diesen Prozess öfters anleiern wollte und dabei scheiterte, macht wenig Mut.

Schwärmen von Europa

Den braucht übrigens auch Mykola Azarov, wenn er als Premier die Ukraine ausländischen Investoren schmackhaft machen will. Sein Land war einmal „die am höchsten entwickelte Republik der UdSSR“, aber „weil wir am Beginn der Neunzigerjahre viele Fehler gemacht haben“, liegt die Wirtschaftsleistung heute nicht einmal halb so hoch wie vor 1991. Die Krise hat die Ukraine hart getroffen, die Staatsschulden verdreifachten sich, der Internationale Währungsfonds musste einschreiten.

Aber Azarov betont die Anstrengung, durch die das Budgetdefizit von 15 auf drei Prozent gedrückt werden kann. Der Premier lockt Investoren mit den „niedrigsten Steuersätzen in Europa“. Aber selbst er sieht sein Land im dunklen Schatten Russlands, von dessen Energie es zu 100 Prozent abhängig ist: „Ich hatte gestern ein Gespräch mit Präsident Putin. Es ist nicht einzusehen, warum der Gaspreis sich innerhalb eines Jahres verdoppeln muss“. Lieber schwärmt Azarov von Europa als Gemeinschaft, in die die Ukraine massiv drängt, auch wenn die Liebe nicht immer erwidert wird: „Die EU berücksichtigt unsere Freihandels-Wünsche nicht“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2011)

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