Europapolitik: Wie Österreich die EU prägen kann

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Österreich fällt auf der europäischen Bühne vergleichsweise wenig auf. Dabei gäbe es genügend Bereiche, in denen heimisches Engagement der EU zugutekommen könnte.

Wien/Brüssel. „Ich hab' zwar keine Ahnung, wo ich hinfahr', aber dafür bin ich g'schwinder dort“ – für zynisch veranlagte Zeitgenossen fungiert dieses aus Helmut Qualtingers Schlager „Der Halbwilde“ stammende Zitat als Essenz und Zusammenfassung der österreichischen Europapolitik der vergangenen Jahre. Gemäß dieser pessimistisch-abgeklärten Sichtweise sind die Zeiten, als Österreich in Europa politische Duftmarken setzen konnte, längst vorbei – abgelöst durch Trittbrettfahrerei und auf Telegenität getrimmte Sprechblasen, die ausschließlich für das Heimpublikum bestimmt sind. Wer sich im Brüsseler Europaviertel rund um den Rond-point Schuman nach denkwürdigen österreichischen Initiativen in der EU erkundigt, erntet im Normalfall Schweigen. Überspitzt formuliert gibt es in Brüssel nur einen Ort, an dem Österreich präsent ist: Die Cafeteria im Erdgeschoß des Ratsgebäudes Justus Lipsius, die während des letzten österreichischen EU-Vorsitzes 2006 in „Café Autriche“ umgetauft wurde.

So verlockend diese pessimistische Sicht auch sein mag – gänzlich den Tatsachen entspricht sie auf keinen Fall. Denn auf europäischer Bühne gibt es sehr wohl Gestaltungsspielraum für die Rolle, die ein kleines EU-Mitglied wie Österreich zu spielen hat. Und an Ideen, wie das österreichische Profil geschärft werden könnte, mangelt es ebenfalls nicht.

So ortet der Delegationsleiter der SPÖ-Europaabgeordneten, Jörg Leichtfried, „zwei bis drei Dinge, die optimierbar wären“ – und kommt sogleich auf die zurückhaltende Positionierung der Bundesregierung „in politischen Bereichen, die für Österreich sehr wichtig wären“, zu sprechen: Heimische Vertreter in Brüssel sollten etwa in Fragen der Außenhandelspolitik akzentuierter auftreten, fordert der Parlamentarier. Zu den geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada gebe es keine österreichische Position; und auch bei heiklen Themen wie Datenschutz und bürgerlichen Grundfreiheiten fehle es an Engagement.

Personalpolitik, Sachpolitik

Verwundert zeigt sich der SPÖ-Abgeordnete vor allem darüber, dass die zuständigen Ministeriumsmitarbeiter, die im Rat an Gesetzestexten feilen, nicht auf die Expertise der EU-Mandatare zurückgreifen und sich mit ihnen abstimmen.

Zudem müsse Österreich – um politische Forderungen in Brüssel besser durchzusetzen – Personalpolitik enger mit Sachpolitik verknüpfen. Besonders die Briten seien da „exzellent“, betont Leichtfried – einen strategischen Ansatz von heimischer Seite vermisse er aber völlig. „Es fehlt die große Linie“, bemängelt auch Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE). Er plädiert dafür, dem Kanzler eine Richtlinienkompetenz zu erteilen; die Europaangelegenheiten also bei einem Regierungsmitglied zu bündeln. Auch Leichtfried sähe die EU-Themen lieber im Kanzleramt als im Außenministerium angesiedelt. Und noch etwas wurmt ihn: Dass Österreichs Position im Europäischen Parlament geschwächt ist, weil es EU-weit die meisten Fraktionslosen nach Brüssel entsendet.

Abseits der innenpolitischen Verbesserungsmöglichkeiten gibt es eine Rolle, die Österreich besonders gut ausfüllen könnte, wenn es nur wollte: die Rolle des unparteiischen Vermittlers. Eine vom ÖVP-Europaparlamentarier Othmar Karas propagierte Idee ist der „Wiener Konvent“ – ein an den Wiener Kongress von 1814/15 anspielender, „breit angelegter Prozess mit möglichst viel Beteiligung“, um die EU bürgernäher und demokratischer zu machen. Über die in Wien erdachten Reformvorschläge sollte dann im Rahmen einer europäischen Volksabstimmung befunden werden.

Stichwort Vermittler: Eine Region, in der Österreich immer noch ein gutes Standing hat, ist der Westbalkan. Die grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek etwa wurde wiederholt als geeignete Kandidatin für den Posten der EU-Beauftragten für den Kosovo gehandelt.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2014)

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