Energie, am besten selbst gemacht

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Energiekosten werden zunehmend standortentscheidend. Heimische Firmen sollten Energie daher selbst erzeugen, um hohen Abgaben zu entgehen, sagt Wifo-Ökonom Schleicher.

Wien. So wehmütig wie heute blickten die europäischen Industriebetriebe schon lange nicht mehr Richtung Westen. Nicht nur größer und einfacher soll alles in den USA sein, sondern vor allem auch billiger. Gerade bei der Energie. Tatsächlich hat sich der Strompreis in Europa im Vergleich zur US-Konkurrenz in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Gas kommt Europas Firmen gleich drei Mal so teuer wie US-Konzerne. Die Internationale Energieagentur sagt Europa bereits den industriellen Untergang voraus. Und Österreichs Unternehmen stecken mittendrin.

Aber was muss in Europa passieren, um die Re-Industrialisierung Marke USA zu schaffen? Den Schiefergasboom, der den Vereinigten Staaten das billige Erdgas beschert hat, kann und will der Kontinent nicht ohne Weiteres kopieren. Eine gemeinsame Strategie verhindert schon die Tatsache, dass jedes der 28 EU-Mitglieder autonom über seine Energiepolitik entscheiden kann. Bleiben also nur Ideen, die innerhalb der eigenen Landesgrenzen umsetzbar sind.

Reine Energie wurde billiger

Was könnte also ganz konkret in Österreich geschehen, um die Energiekosten der Unternehmen zu senken? Notwendig ist das in jedem Fall, denn auch, wenn der überwiegende Teil der Firmen (das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt den Anteil auf 92 Prozent der Wertschöpfung im Industriebereich) nur 1,6 Prozent des Umsatzes für Energiekosten ausgibt, sind die Energiepreise in vielen Branchen, die hierzulande bedeutsam sind, ausschlaggebend. Die Stahl-, Zement- oder Papierindustrie steht und fällt mit der Höhe der Energiekosten. Um die Energiekosten zu senken, gibt es zwei Hebel, sagt Wifo-Energie-Experte Stefan Schleicher zur „Presse“: den Preis und die Menge.

Beim tatsächlichen Energiepreis ist relativ wenig zu holen, er ist aber auch nicht nicht das große Problem. Elektrizität wird hierzulande nicht teurer produziert als in den USA. Ein Bericht der EU-Kommission aus dem Frühjahr 2014 zeigt, dass die reinen Energiekosten für die Industrie in den 28 EU-Ländern zwischen 2008 und 2012 sogar gefallen sind. Die Kosten für Steuern, Netzgebühren und andere Abgaben sind hingegen regelrecht explodiert (siehe Grafik). Österreichs Unternehmen müssten daher versuchen, eine dezentrale Strom- und Wärmeversorgung am eigenen Standort aufzubauen, um so Netzgebühren und Steuern zu sparen, sagt der Ökonom.

In den USA kommen immer mehr Betriebe dahinter, dass selbst erzeugter Strom nicht nur bei grünaffinen Kunden für Beifall sorgt, sondern zudem auch die Kosten drückt. „In Österreich haben wir uns auf diese technologische Entwicklung noch nicht eingestellt“, sagt Schleicher. Dennoch stemmten Gewerbebetriebe 2012 auch in Österreich bereits 13,5 Prozent der gesamten Stromproduktion des Landes.

Hocheffiziente Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung und Solaranlagen seien für Österreichs Unternehmen der richtige Weg. Richtig dimensioniert seien Fotovoltaikanlagen auf den Dächern der Betriebe schon heute günstiger, als wenn diese den Strom inklusive aller Nebenkosten über das öffentliche Netz beziehen. Förderungen in der heutigen Form seien eher ein Hindernis als eine Hilfe für diese Entwicklung. „Wichtiger als subventionieren ist gut finanzieren“, sagt Schleicher. Im Moment gebe es keine Kredite, die über die gesamte Laufzeit der Anlagen laufen.

Auch die Einspeisung von überschüssigem Strom aus dezentralen Anlagen ins öffentliche Netz müsse erleichtert werden. Es gebe eine Reihe von „Wegelagerergebühren“, die fällig werden, wenn etwa ein Industriebetrieb ungenützten Strom an den Wochenenden günstig an die Nachbarschaft verkaufen will. Die Gebühren sind oft so hoch, dass sich das schlichtweg nicht lohnt.

Den zweiten Hebel, die Menge, haben Europas Unternehmen eigentlich schon gut im Griff. Ablesen lässt sich das an der Entwicklung der realen Energiestückkosten (inflationsbereinigte Energiekosten pro erzeugter Einheit). Während die absoluten Preise in Europa drastisch schneller stiegen als in den USA, lagen die Energiestückkosten der Unternehmen in Amerika und Europa zumeist gleichauf (siehe Grafik). Die niedrigeren Preise der Amerikaner gleichen die Europäer also mit größerer Sparsamkeit aus.

Eine weitere Steigerung der Energieeffizienz ist für den Großteil der energieintensiven Industrie in Österreich kaum möglich. Um wirtschaftlich überleben zu können, sind die meisten bestehenden Anlagen bereits bis zum Optimum ausgereizt. Ganz anders ist das bei der Masse an Klein- und Mittelbetrieben.

Potenzial bei Kleinbetrieben

Hier gäbe es viel Potenzial zu heben, sagt Schleicher. Da die Energiekosten bei ihnen allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen, müssten zusätzliche Anreize gesetzt werden. Das Energieeffizienzgesetz, das die Regierung im Frühsommer beschlossen hat, hätte so ein Anreiz sein sollen. Doch das ist missglückt, sagt der Ökonom. Allein die Stromversorger müssten jährliche Zusatzkosten von 200 bis 500 Millionen Euro kalkulieren, heißt es in einer Studie, die er gemeinsam mit Wifo-Kollegin Angela Köppl verfasst hat. Dem gegenüber stehen nur Einsparungen in Höhe von 215 Millionen Euro durch den gesunkenen Strombezug. Knapp formuliert: Das Energieeffizienzgesetz kostet mehr, als es bringt.

Der Grund dafür ist, dass das Gesetz nur sieben Jahre in die Zukunft reicht, was einerseits „kurzsichtig“ sei und andererseits „massive Kostensteigerungen“ mit sich bringe, so Schleicher. Sein Gegenvorschlag, eine echte Energieeffizienzabgabe für alle Energieträger von 0,2 Cent pro Kilowattstunde, sei zu spät gekommen. Die Parteien hätten da ihren „Kuhhandel“ längst finalisiert und das Gesetz beschlossen. So bleibt den Unternehmen nicht mehr, als sinnvolle Effizienzmaßnahmen dennoch durchzuführen – und zu versuchen, sich ein Stück weit selbstständig zu machen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2014)

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