Alfred Gusenbauer und die Kiew-Connection

Die Presse/Michaela Bruckberger
  • Drucken

In der Anklage gegen Trumps Wahlkampfberater Paul Manafort taucht ein „Kanzler“ auf, der gemeinsam mit Ex-EU-Politikern zwei Millionen Euro erhielt, um für die Ukraine zu lobbyieren. Gemeint sein dürfte Alfred Gusenbauer.

Das Thema klang etwas spröde. Doch die Diskussionsrunde, die der ehemalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer an diesem lauen Spätsommertag am 20. September 2012 im Gartenhotel Altmannsdorf zusammengetrommelt hatte, war hochkarätig. Nicht nur der ukrainische Außenminister Konstantin Grischtschenko war seinem Ruf nach Wien gefolgt, sondern auch frühere italienische Premier und ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi. Gemeinsam saßen die ergrauenden Zwölfender auf einem Podium im schütter besuchten Kreisky-Saal, um über die „Ukraine auf dem Weg zur EU-Integration“ zu diskutieren.

Zu diesem Zeitpunkt war der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch noch auf dem europäischen Dampfer. 14 Monate später schwenkte er um und verweigerte im November 2013 völlig überraschend seine Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen mit der EU; Russlands Präsident hatte ihm ein Angebot gemacht, das er offenbar nicht ablehnen konnte. Der Rest ist ebenso wie Janukowitsch Geschichte. Es folgten Proteste, ein Umsturz, die Annexion auf der Krim, der Krieg in der Ostukraine – und geopolitischen Erschütterungen, die bis heute spürbar sind.

Im Spätsommer 2012 versuchte Janukowitschs hölzerner Chefdiplomat noch die Ukraine für die EU herauszuputzen. Und Gusenbauer und Prodi halfen ihm dabei. Selten hatte eine kurzfristig angesetzte Konferenz des Renner-Instituts derartig glanzvolle Teilnehmer, die auch noch extra für die Veranstaltung am Stadtrand angereist waren. Gusenbauer, der damalige Präsident der SPÖ-Akademie, hatte es möglich gemacht.

Ein "unangemeldeter Agent"

Und dabei dürften nicht nur idealistische Erwägungen eine Rolle gespielt haben. Alfred Gusenbauer war offenbar Teil eines Netzwerks, das zwischen 2012 und 2013 im Auftrag des US-Politberaters Paul Manafort für Janukowitsch und die Ukraine lobbyierte. Das legt eine Anklage nahe, die US-Sonderermittler Robert S. Mueller am Freitag gegen Manafort, den ehemaligen Wahlkampfberater von US-Präsident Donald Trump, einreichte. Mueller hat einen brisanten Auftrag, den er mit missionarischem Eifer erfüllt: Der früherer FBI-Direktor soll aufklären, ob und in welchem Ausmaß Russland versucht hat, auf Trump und die Präsidentschaftswahl 2016 Einfluss zu nehmen. Am Ende könnte das Trump sogar das Amt kosten. Im Zentrum der Untersuchungen steht Paul Manafort. Ihn will Mueller nun offenbar an einer ukrainischen Nebenfront erwischen.

In der Anklageschrift wird dem umtriebigen 69-jährigen Politprofi zur Last gelegt, zwischen 2006 und 2015 als „unangemeldeter Agent für eine ausländische Regierung“ gearbeitet zu haben: für die Ukraine, Janukowitsch und dessen „Partei der Regionen“. Dafür habe er Dutzende Millionen erhalten und über Offshore-Konten vor den amerikanischen Steuerbehörden verborgen. Brisant für Österreich wird es in Punkt 30 und 31 der Anklageschrift, die der „Presse am Sonntag“ vorliegt: Manafort soll „ehemaligen hochrangigen europäischen Politiker“ zwischen 2012 und 2013 mehr als zwei Millionen Euro bezahlt haben, um für die Ukraine positive Stimmung zu machen und auch in den USA zu lobbyieren.

Intern sei die illustre Runde „Hapsburg (sic!) Group“ genannt worden. Und geführt habe sie in Koordination mit Manafort ein „ehemaliger europäischer Kanzler“, der in Muellers Anklage in der Folge als „ausländischer Politiker A“ bezeichnet wird. Das ist ein ziemlich deutlicher Hinweis auf Alfred Gusenbauer. Denn in Europa gibt es nur zwei Regierungschefs, die man als „Kanzler“ bezeichnet: den deutschen und den österreichischen. Theoretisch käme auch Gerhard Schröder in Frage, doch von ihm ist kein Engagement für die Ukraine bekannt.

Gusenbauer bestreitet Lobbying-Arbeit nicht

Der Anklageschrift zufolge sollen der „ausländische Politiker A“ und andere Ex-Politiker bei US-Kongressmitgliedern vorgesprochen haben. Dabei hatte die Lobby-Firma von „Mercury“ ihre Finger im Spiel, die vom „European Centre For a Modern Ukraine“ angeheuert worden war. Diese Plattform hatte laut US-Anklage Manafort aufgesetzt, um Rückenwind für Janukowitsch und die Ukraine zu erzeugen. Im Vorjahr legte „Mercury“ dem US-Justizministerium Unterlagen vor, die zeigen, dass Gusenbauer in Washington im Juni 2013 Ed Royce, den Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses im Repräsentantenhaus, sowie die republikanischen Abgeordneten Tom Marino und Robert Aderholt traf. Prodi drehte im März 2013 eine ähnliche Runde. Begleitet wurden beide von Mercury-Mitarbeitern. Die Wege Gusenbauers und Prodis kreuzten sich zu jener Zeit öfter. Beide saßen auch im Beratungsgremium des kasachischen Autokraten Nasarbajew.

Im Telefonat mit der „Presse am Sonntag“ bestätigt Gusenbauer, damals Abgeordnete getroffen zu haben. An die Namen könne er sich nach so langer Zeit nicht erinnern. Kein Hehl macht der Ex-Kanzler aus seinem Engagement für eine Heranführung der Ukraine an die EU. Das sei eine „noble Causa“ gewesen. Er bestreitet gegenüber der „Presse am Sonntag“ auch nicht, Geld erhalten zu haben für seine Lobbyingtätigkeit in Paris, Brüssel und Washington. Die Summe habe er nicht mehr im Gedächtnis. Eine „amerikanische oder englische Firma“ habe ihn bezahlt. Dass Paul Manafort dahinter stecken könnte, sei ihm nicht bewusst gewesen, so Gusenbauer. Jedenfalls sei er weder mit Janukowitsch noch mit Manafort in einer Geschäftsbeziehung gestanden. Ein Unbekannter ist der Amerikaner für Gusenbauer jedoch nicht. Er habe Manafort einmal in Europa und einmal in den USA getroffen. Aber „nur auf einen Kaffee“.

>>> zum "Politico"-Bericht

>>> zum "New York Times"-Bericht

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Gusenbauers Ukraine-Connection: "Ich wurde für die Konferenzen bezahlt"

Der Ex-Kanzler weist einen Bericht, wonach er für pro-westliches Lobbying in der Ukraine 30.000 Euro monatlich verdient habe, zurück. Er habe die Zahlungen in seinen Steuererklärungen vermerkt.
Gusenbauer 2015 beim Hypo-U-Ausschuss.
Außenpolitik

Prodi zur Manafort-Affäre: "Gusenbauer war der Leiter der Gruppe"

Der Ex-Kanzler dementiert Aufträge und Bezahlung durch den umstrittenen Trump-Kampagnenleiter. Doch woher kam das Geld für die Hilfeleistung zugunsten der Ukraine?
Außenpolitik

Gusenbauer-Vorwürfe: FPÖ fordert Untersuchungsausschuss

FPÖ-Klubchef Gudenus bezeichnet die Berichte über Verstrickungen des Ex-Kanzlers in Ukraine-Aktivitäten von Trumps Wahlkampfteam plausibel. Kiew bietet den USA seine Zusammenarbeit an.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.