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Auf der Suche nach dem Österreichischen

Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
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„Geschichte ist wichtig, um die Gegenwart zu verstehen – und zu gestalten“, so Dirk Rupnow, Universitätsprofessor für Zeitgeschichte in Innsbruck und Berater beim Haus der Geschichte Österreich. Dessen Werden war keineswegs einfach.

»Das war ein langer Prozess«

sagt Zeithistoriker Dirk Rupnow auf die Frage, wie es zum Haus der Geschichte (HdGÖ) kam

„Im 19. Jahrhundert entwickelten sich klassische Nationalmuseen. Das Habsburgerreich konnte sich hier aufgrund seiner Verfasstheit als multiethnisches Imperium auf dynastischer Grundlage nicht beteiligen. Das Deutsche Reich existierte zwar erst ab 1871, aber als 1852 in Nürnberg das Germanische Nationalmuseum entstand, waren die ,Deutschen Österreichs‘ natürlich mitgedacht.“ Wie fanden das die Kronländer der österreichisch-ungarischen Monarchie, die heutigen Oststaaten, die wesentlich größer waren als „Deutsch-Österreich“? „Nach der Logik des Vielvölkerstaates gab es Nationalmuseen nur auf der Ebene der Länder“, erläutert Rupnow und weiter: „Nationalmuseen entstehen aber nicht nur in Ungarn, Böhmen und Mähren, sondern auch in Tirol und der Steiermark. Die Idee des Nationalmuseums ist eng verbunden mit dem Aufstieg der Nationalstaaten.“ Wie in der heutigen EU scheinen viele bestrebt, sich abzugrenzen, egal, ob Ungarn oder die Katalanen. „Das ist wahr“, sagt Rupnow, „am ehesten hätte das Heeresmuseum, heute das Heeresgeschichtliche Museum in Wien, die Funktion eines Museums für die gesamte Habsburgermonarchie erfüllen können, weil Menschen aus allen Reichsteilen gemeinsam im Heer dienten.“ Fühlten sich denn auch Länder wie Tirol oder die Steiermark als eigene Nationen? Rupnow: „Ja, die heutigen Landesmuseen verstanden sich als Nationalmuseen wie auch die Gründungen in Budapest, Prag, Brünn.“ 

Clemenceau und Karl Renner
1918 brach die Habsburgermonarchie zusammen. „Der Rest ist Österreich“, sagte Frankreichs Ministerpräsident Georges Clemenceau. Rupnow: „Es ist die Frage, ob er das überhaupt gesagt hat. Für die Erste Republik war ein historisches Museum kein großes Thema, aber für die Zweite. Ein solches Projekt wurde zunächst sehr privat vom österreichischen Bundespräsidenten Karl Renner – er war von 1945 bis 1950 im Amt – realisiert. Er etablierte über der Präsidentschaftskanzlei ein ,Museum der Ersten und Zweiten Republik‘, die Bundesländer durften je eine Vitrine bespielen, man hängte Porträts der Kanzler und Präsidenten auf. Die Habsburgermonarchie kam dort allerdings nicht vor.“

Haus der Geschichte Österreich

Habsburgs Kulturraum
Obwohl sie doch die längste Zeit die Geschichte Österreichs bestimmte: „Es sollte eben nur um die Republikgeschichte gehen,“ betont Rupnow, „das war eine bewusste Abgrenzung. Es gab aber noch ein anderes Projekt, das Museum der Österreichischen Kultur, das in etwa am gleichen Ort war, wo das jetzt geplante Haus der Geschichte Österreich in der Neuen Burg eingerichtet wurde.“ August Ritter von Loehr, Direktor des Kunsthistorischen Museums nach 1945 und Numismatiker, gründete dieses Museum. Im Unterschied zu Renner erzählte er die Geschichte des Habsburgerreiches als die eines kulturellen Raums. Rupnow: „Die beiden Museen Renners und Loehrs nebeneinander zu betrachten, finde ich sehr interessant.“ Gibt es eine österreichische Kultur? „Es ist jedenfalls eine österreichische Identität konstruiert worden, die sich von einer – ebenfalls konstruierten – deutschen unterscheidet bzw. als ein Spezialfall der deutschen erscheint“, so Rupnow. „In der Zwischenkriegszeit und im Dollfuß/ Schuschnigg-Regime begriff man sich als deutsch und als österreichisch gleichzeitig.“ Das Museum der Österreichischen Kultur ging allerdings traurig unter. Es fiel bald in einen Dornröschenschlaf, hatte noch ein kurzes Nachleben in den späten 1980er- und frühen 1990er- Jahren in Eisenstadt, wurde dann aber final eingemottet. Das jetzt geplante HdGÖ widmet sich wieder der Republikgeschichte. Rupnow: „Ja, und ich finde das auch gut, weil es das Staatswesen ist, in dem wir leben. Und dies seit 100 Jahren, wenn auch mit Unterbrechungen, doch da gibt es schon eine Menge zu erzählen.“

Aber was wird aus der Vorgeschichte? Rupnow: „Man kann nicht so tun, als wäre vorher nichts gewesen. Nur, wo setzt man an? 1848, 1804 oder weiter zurück? Jede Setzung wird willkürlich sein. Ohne Rückgriff auf die frühere Zeit wird es sicher nicht gehen.“ Geschichte „holt uns immer wieder ein“, ist Rupnow überzeugt – und er glaubt nicht, dass TV-Dokus ein Museum ersetzen können: „Internet hin oder her, es gibt eine große Sehnsucht nach dem Authentischen. Österreichs Geschichte verdient einen physischen Ort, an dem man sich kritisch mit ihr auseinandersetzen kann. Das Haus der Geschichte Österreich kann eine wichtige gesellschaftliche Funktion erfüllen. Letztlich ist die Geschichte wichtig, um die Gegenwart zu verstehen und ihre Veränder- und Gestaltbarkeit zu erkennen.“

Auf einen Blick

Dirk Rupnow, 1972 in Berlin geboren, studierte Geschichte, Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte. Er ist Univ.-Prof. für Zeitgeschichte an der Uni Innsbruck und wissenschaftlicher Berater des HdGÖ.

Weitere Informationen zum Haus der Geschichte Österreich finden Sie auf www.hdgoe.at


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