Fachkräften ist Österreich "zu kompliziert"

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Vielen Hochqualifizierten ist die Republik "zu bürokratisch", sagt Migrationsexpertin Katerina Kratzmann. Österreich müsse an seiner „Körpersprache" arbeiten, auch die Wirtschaft sei gefordert.

Stehen Fachkräfte vor der Entscheidung, in welchem Land sie beruflich tätig werden wollen, fällt ihre Wahl zumeist nicht auf Österreich. „Das Land ist bürokratisch, sehr kompliziert - das wollen sich Hochqualifizierte oft nicht antun", sagt Katerina Kratzmann, Leiterin des Wiener Büros der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Hinzu komme, dass Österreich im Ausland als „eher geschlossen und teils fremdenfeindlich wahrgenommen" werde. Konkret: „Man schottet sich gerne ab."

Während in den USA, Kanada oder Neuseeland die Möglichkeiten dominieren, stünden hier die Hürden im Vordergrund. Zudem „kann sich Österreich nicht alleine denken". Denn: „Vieles läuft über die Europäische Union, weshalb sich Personen, die einwandern möchten, mit 28 Immigrationssystemen konfrontiert sehen", so Kratzmann. Hinsichtlich der Jobchancen oder Fragen der Kinderbetreuung hinke die Republik ebenfalls hinterher.

Problematisch sei auch das Selbstbild: „Österreich ist weit davon entfernt, sich als Einwanderungsland zu verstehen", sagt Kratzmann im Gespräch mit der "Presse". Gerade bei der jüngeren Generation sei zwar eine wachsende Offenheit zu bemerken. Nach wie vor dominiere aber die „Gegenüberstellung von Ausländern, Menschen mit Migrationshintergrund und ,normaler' Bevölkerung", so die Expertin. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Obwohl es in Österreich seit fast drei Jahren die Rot-Weiß-Rot-Karte gibt, die für eine gezielte Zuwanderung von Fachkräften sorgen soll, wurden 2013 statt der erwarteten 8000 nur 1702 Anträge auf die Karte bewilligt.

Bis zu 10.000 Personen wandern ab

Auch umgekehrt ergeben die Daten ein eher tristes Bild: In den vergangenen zehn Jahren sind im Durchschnitt zwischen 5000 und 10.000 Österreicher pro Jahr weggezogen. Ihnen stehen jährlich etwa 30.000, vorwiegend ungelernte Arbeitskräfte gegenüber, die ins Land kommen. Das ergibt eine Studie der Uni Wien. Insbesondere Hochqualifizierte zieht es ins Ausland: Laut einer Auswertung der Statistik Austria liegt die Wegzugsrate bei Universitäts- und Fachhochschulabsolventen bei 5,3 Promille.

Um gegenzusteuern, müsste Österreich seine „Körpersprache" verbessern, schlägt Kratzmann vor. Die Wirtschaft sollte sich mehr dem Bachelor öffnen, ein Titel, dem aktuell kaum Beachtung geschenkt würde. Ein weiteres Problem: Rund ein Fünftel der Bevölkerung hat Migrationshintergrund, mehr als ein Viertel der Beschäftigten sind unter ihren Qualifikationen angestellt. Hinsichtlich der steuerlichen Belastungen ortet die Expertin hingegen keinen Handlungsbedarf: „Die Steuern sind kein Grund, sich für oder gegen ein Land zu entscheiden."

Das Problem der Abwanderung betreffe auch Deutschland, sagt Kratzmann. Dort lasse sich gerade ein neuer Trend beobachten: „Viele junge Deutsche mit türkischem Hintergrund zieht es in die Türkei. Mal sehen, ob dieser Trend auch Österreich erreicht."

Veranstaltung

Am Montag, 25. August, um 13.00 Uhr diskutiert Katerina Kratzmann, Leiterin des Wiener Büros der Internationalen Organisation für Migration, in der Hauptschule über „Brain Drain – Brain Gain. Wirtschaftliche Potenziale von Migration in Europa“.

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