Hobsbawm: "Netzwerk-Events sind schrecklich"

Julia Hobsbawm
Julia Hobsbawm(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Julia Hobsbawm ist Professorin für Netzwerken in London. Trotzdem fühlt sie sich oft unwohl bei der Gesprächsanbahnung mit Unbekannten – doch das, meint sie, sei ganz normal.

Als Julia Hobsbawm und ihr Mann kürzlich des Abends zurück in ihr Alpbacher Hotel kamen, gab ein österreichisches Ministerium dort gerade einen Empfang. „Hunderte Menschen. Wir sind sofort in unser Zimmer gegangen. Dabei bin ich die Professorin für Netzwerken“, sagt Julia Hobsbawm. Hätte sie die Hälfte der Menschen im Raum gekannt, wäre sie schon viel eher geblieben, sagt sie. „Was ich damit sagen will ist: Es ist völlig normal, dass der Mensch solche Situationen stressig findet.“
Jeder trage ein gewisses Maß an Schüchternheit in sich.

„Die Idee, dass man extrovertiert sein muss, um zu netzwerken, ist ein Mythos. Wir müssen uns ein gewisses Unwohlsein dabei erlauben. Mit Menschen so nahe zu sein, die man nicht kennt, ist unangenehm. Aber dieses Gefühl geht meistens schnell vorbei.“ Das sei nichts anderes, als sich im Flugzeug bei der Landung anzuschnallen. „Während der Landung ist es manchmal holprig und die Ohren fallen zu. Aber dann ist man am Boden.“ Das unangenehme Gefühl verschwinde, sobald man einen Anknüpfungspunkt mit seinem Gegenüber findet, eine Gemeinsamkeit. „Dann entwickelt man Vertrauen, und wenn man Vertrauen hat, tauscht man Informationen aus. Darum geht es beim Netzwerken.“

„Die meisten Netzwerk-Events sind schrecklich. Vor allem, wenn sie als Netzwerk-Events ausgeschildert sind. Alles, was groß ist und ungefiltert: vermeide es“, sagt Hobsbawm. Sinnvoller seien kleinere Runden, Salons, wo im Idealfall sogar durch den Abend geführt wird. Auf Cocktailpartys und Empfängen sei es zunächst wichtig, mit irgendjemandem zu sprechen, den man kenne. Und sei es der Kellner. „Es geht nicht darum, die wichtigste Person mit der beeindruckendsten Visitenkarte zu finden.“ Vor allem aber gelte zu akzeptieren, dass die Kosten der Vernetzung mit neuen Menschen eben seien, dass sich das am Anfang meistens seltsam anfühle. Bis man gelandet ist.

Beim Netzwerken gehe es vor allem ums Zuhören, ums Lernen und ums Teilen. Das Thema Netzwerken hat für die PR-Expertin und Tochter des berühmten britischen Historikers Eric Hobsbawm aber noch eine andere Dimension. „Fully Connected: Surviving and Thriving in the Age of Overload“ heißt ihr neues Buch, das nächstes Jahr erscheint. Auf Deutsch etwa: Voll verbunden – wie man im Zeitalter der Überladung überlebt und gedeiht“. Hobsbawm fordert darin einen neuen Umgang mit unseren begrenzten Ressourcen in einer über das Internet völlig und ständig vernetzten Welt. „Wir müssen das als Gesundheitsfaktor ansehen. Und genauso Strategien und Taktiken entwickeln, wie wir das für unsere körperliche Gesundheit getan haben.“

Die Kosten der ständigen Vernetzung

Es sei heutzutage völlig normal, auf seine Ernährung zu achten und sich zu überlegen, wann und welchen Sport man macht, um fit zu bleiben. „Die meisten Menschen kontrollieren ständig, was sie essen. Aber nur sehr wenige pflegen diesen Umgang mit ihren Netzwerken, ihren Informationsflüssen und ihrer Zeit. Dabei ist das genauso wichtig, angesichts der Tatsache, wie limitiert und kostbar unsere Zeit ist“, sagt Hobsbawm.

Dabei wolle sie keinesfalls den technologischen Fortschritt verdammen. Es gehe nicht um einen „Back-to-Basics“-Ansatz. „All diese Möglichkeiten, sich zu vernetzen, sind großartige Errungenschaften, Twitter und Facebook haben fantastische Nebeneffekte.“ Aber wir müssten uns überlegen, was die Kosten davon sind, ständig vernetzt zu sein. „Wir müssen unser Verhalten in einer völlig vernetzten Welt überdenken. Eine neue Kultur im Umgang damit finden.“

Sie selbst versuche, jeden Freitag um 18 Uhr ihr Handy auszuschalten und für 24 bis 36 Stunden offline zu gehen, nur noch physische Zeitungen und Bücher zu lesen. „Um mich daran zu erinnern, dass mein Gehirn kein Computer ist.“ Ihr sei klar, dass diese Tipps nicht neu seien. „Ich habe das Zeitmanagement natürlich nicht erfunden.“ Ihr gehe es darum, das Konzept der sozialen Gesundheit in den Fokus zu rücken. „Jeder hat bis zu einem gewissen Grad eine Informations-Fettleibigkeit. Ich wünsche mir, dass wir uns genau überlegen, was ein gesunder Weg ist, unsere Zeit zu verbringen.“

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