Den Abschied verschiebt man gerne

Sonja und Norbert Zimmermann
Sonja und Norbert ZimmermannKatharina Roßboth
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Generationenwechsel. Berndorf-Aufsichtsratschef Norbert Zimmermann und Noch-Rewe-Chef Frank Hensel wissen beide, wie schwer es ist, den Platz für die Nachfolgenden zu räumen.

Wie kann der Generationenwechsel in einem Unternehmen gelingen? Und welche Unterschiede gibt es dabei zwischen einem managementgeführten und einem Familienunternehmen? Diese Fragen wurden gestern in einer Breakout Session diskutiert, und zwar mit bemerkenswerter Offenheit.

Das lag wohl daran, dass sowohl Norbert Zimmermann, der Aufsichtsratsvorsitzende der Berndorf AG, als auch Frank Hensel, Chef von Rewe-International, gerade dabei sind, ihre Plätze für ihre Nachfolger/in zu räumen. Und beiden, das geben sie unumwunden zu, fällt der Abschied nicht leicht.

Frank Hensel hat fast 30 Jahre in der Rewe-Group verbracht, 2008 hat er den Vorstandsvorsitz übernommen. Im April 2018 übernimmt Marcel Haraszti seine Aufgabe. In den nun folgenden Monaten ist es ihm ein Anliegen, alle Agenden so gut wie möglich zu übergeben: „Mir ist klar, dass mich die Leute daran messen werden, wie ich meinen Übergang gestalte. Daran erinnern sich die Menschen. Was ich alles für das Unternehmen getan habe, ist nicht so wichtig“, sagt er nüchtern.

„Angst vor dem, was kommt“

Wann hat der 68-Jährige das erste Mal daran gedacht, nicht noch mal fünf Jahre anzuhängen? Ihn habe stets motiviert, große wie kleine Dinge zu bewegen. „Und wenn man ehrlich ist, war es auch die Sucht nach Anerkennung. An den Exit denkt man also nie und schiebt das Thema Aufhören einfach nach hinten. Aber das ist gefährlich. Denn es wird immer schwieriger, sich zu motivieren. Das muss man erkennen.“ Aber auch das Leistungsvermögen lasse nach, mit Routine könne man das nur begrenzt wettmachen. Wenn man sich das eingestehe, dann beginne man, erstmals an die Übergabe zu denken – und schiebt den Zeitpunkt dafür trotzdem immer wieder hinaus. „Man hat ja auch ein bisschen Angst vor dem, was kommt. Aber das ist gefährlich. Denn im Management kann es sehr schnell passieren, dass dann jemand anderer über deinen Abgang entscheidet. Und das ist keine gute Perspektive.“

Ein Szenario, das Norbert Zimmermann nicht fürchten muss, schließlich ist Berndorf quasi ein Familienunternehmen. Allerdings sei seine Tochter Sonja – sie wird nach ihm den Vorsitz im Aufsichtsrat übernehmen – jemand, „der markige Ansagen machen kann. Und das tut gut“ , sagt er.

Für Norbert Zimmermann war es immer schon ein Traum, dass seine Tochter einmal ins Unternehmen kommen könnte, aber längst keine ausgemachte Sache: „Sonja war kein angepasstes Kind, überhaupt nicht. Unglaublich eigenwillig und eigenständig. Sie hat ihre Wanderjahre ganz alleine selbst bestimmt.“ Klar sei für beide gewesen, dass sie ihren Weg machen solle, aber im väterlichen Unternehmen immer willkommen sei. „Genauso ist es gewesen. Und natürlich war ich der glücklichste Mensch, dass sie Interesse gezeigt hat und bereit ist, für das Unternehmen Verantwortung zu übernehmen.“

Wertewelt muss sich gleichen

Seit vielen Jahren ist Sonja Zimmermann nun Mitglied des Aufsichtsrats der Berndorf AG. Die Mitarbeiter hätten auf sie unterschiedlich reagiert, sagt sie: „Einerseits gab es den väterlichen Geschäftsführer, der mir alles erklärt hat. Andererseits jene, die sich mal angeschaut haben, wie nachhaltig das ist. Sie waren zurecht kritisch. Im Endeffekt war es aber nach einigen Jahren so, dass ich einen sehr guten Einblick hatte.“ Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Vater und Tochter gab es bisher – bis auf einmal – nicht. Norbert Zimmermann hat dafür auch eine Erklärung: „Das ist nicht kitschig gemeint, aber wir haben in unserer Wertehaltung null Differenzen, das ist das allerwichtigste. Wäre das nicht so, hätten wir es beide nicht gemacht. Spielt die Wertewelt von jung und alt nicht zusammen, dann kracht es.“ Bei aller Harmonie war da jedoch diese eine Situation, die Norbert Zimmermann sehr gefordert hat. Als er seine Tochter darauf ansprach, dass es doch langsam einmal an der Zeit wäre, dass sie von ihm den Vorsitz im Aufsichtsrat übernehmen soll, „schaute sie mir tief in die Augen und sagte: Ja, aber dann gehst Du aus dem Aufsichtsrat raus.“ Er habe einige Zeit gebraucht, um die deutlichen Worte seiner Tochter zu verdauen, aber letztlich erkannt: „Sie hat völlig recht. Wenn ich als alter Tatterer noch weiter im Aufsichtsrat herumsitze und meine Meldungen abgebe, dann passt das nicht.“

Hensel hört die Worte Zimmermanns und schmunzelt. Auch für ihn sei die Übergabephase anfänglich „unheimlich schwierig gewesen“. Dabei ist er überzeugt, dass Haraszti der richtige Mann für den Job ist. „Aber mittlerweile haben wir es gut hingekriegt. Trotzdem ist dieser Abschied mit keinem der bisher erlebten vergleichbar.“ Ganz muss sich Hensel von Rewe allerdings nicht verabschieden. Er wechselt in den Aufsichtsrat des Konzerns.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2017)

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