„Es gibt keinen sozialen Wohnbau mehr“

Braucht es im Wohnbau mehr Staat oder mehr privat, wollte Wifo- Forscher Michael Klien (l.) wissen. Der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (r.) und der Unternehmer Hans Jörg Ulreich (m.) wurden sich bei dieser Frage nicht einig.
Braucht es im Wohnbau mehr Staat oder mehr privat, wollte Wifo- Forscher Michael Klien (l.) wissen. Der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (r.) und der Unternehmer Hans Jörg Ulreich (m.) wurden sich bei dieser Frage nicht einig.Katharina Roßboth
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Wohnen. In Österreich steigen die Wohnkosten rasant, vor allem in den Städten. Woran das liegt? Dazu hatten der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und der Unternehmer Hans Jörg Ulreich sehr unterschiedliche Auffassungen.

Die Wohnungskosten und die Mietpreise in Österreich haben sich sehr dynamisch entwickelt. Nach einer aktuellen Studie des Immobilienmakler-Netzwerkes Remax sind die Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen in den vergangenen fünf Jahren österreichweit gleich um 39,8 Prozent angestiegen. Ist das, was wir erleben, ein ganz normaler Preismechanismus am Markt, weil die Nachfrage in den Städten steigt, oder läuft etwas schief? Das wollte Michael Klien vom Institut für Wirtschaftsforschung gestern von seinen beiden Gästen, Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und Hans Jörg Ulreich, Geschäftsführer des privaten Bauträgers Ulreich, wissen.

„Makler haben Eigeninteresse“

Geht es nach Ludwig, ist die Lage lange nicht so schlimm, wie das die zitierte Studie glauben machen will. „Die Plattform, die die Statistik verlautbart hat, besteht aus privaten Maklern. Die haben ein großes Eigeninteresse, dass es hohe Mieten gibt. Wenn man dann eine Wohnung sucht und man sieht, dass man mit einer Wohnung unter dem Niveau liegt, ist man als Mieter schon erleichtert.“ Aber freilich, die beschriebene Dynamik beobachte er mit Besorgnis, müsse sie aber für Wien relativieren. „Wien hat eine Million Wohnungen. Wenn man sich die dynamische Entwicklung im Mietbereich anschaut, dann ist sie nicht im genossenschaftlichen Bereich und nicht im Gemeindebau zu finden. Das sind 220.000 Wohnungseinheiten. Eine starke Steigerung gibt es nur im privaten Wohnhausbereich und da vor allem dann, wenn es zur Neuvermietung kommt. Dabei geht es im Jahr um die 28.000 Wohnungseinheiten von insgesamt einer Million Wohnungen.“ Grund dafür sei in Wien die überproportionale Zuwanderung der vergangenen Jahre.
Michael Ulreichs Wahrnehmung ist eine andere. Die Preissteigerung der Eigentumswohnungen sei klar eine Folge der Finanzkrise. Die Leute investieren in Wohnungen, weil sie diese Anlage für die sicherste halten. Bei den Mieten müsse man differenzieren. Die Marktmieten seien im Rahmen der Inflationsmarke gestiegen. Viel höher geworden seien sie vor allem bei jenen Wohnungen, die früher Substandardwohnungen waren, in den vergangenen Jahren saniert wurden und nun unter eine höhere Kategorie fallen. „Das wirft man uns nun überproportional vor.“ Und noch etwas ärgert Ulreich: „Wir haben die Situation, dass es heute keinen sozialen Wohnbau mehr gibt. Die geförderten Wohnungen sind für den Mittelstand. Die sozial Schwachen kommen da nicht mehr hinein, weil sie die falsche Staatsbürgerschaft haben, zu wenig verdienen und nicht 500 Euro pro Quadratmeter an Eigenmitteln aufbringen können. Sieben, acht Euro Bruttomiete ist keine Sozialwohnung.“ Und wo finden die sozial Schwachen dann ihr Dach überm Kopf? „Sie wohnen zu 50 Prozent bei uns im privaten Wohnbau. 60 Prozent der Flüchtlinge ebenso, weil sie in die öffentlichen Einheiten nicht hineinkommen. Nur die x-te Gemeindewohnung wird nach sozialen Kriterien vergeben. Ausbezahlte Genossenschaftswohnungen sind die billigsten. Sie werden auch an Nationalratsabgeordnete vergeben.“ Sein düsteres Fazit: Die Armen schiebe man in den privaten Sektor und „uns hänge man einen Sozialmarkttarif um. Denn was ist der Richtwert ohne Lagezuschlag? Die gleiche Miete, die der Herr Stadtrat im Gemeindebau verlangt. Ich kriege aber kein Grundstück geschenkt, ich muss zu Marktkonditionen einkaufen und für Kredite persönlich haften. Um den Richtwert kann kein Privater kostendeckend vermieten. Da muss sich etwas ändern!“

„Wien fördert viele Private“

Ludwig sieht keinen Handlungsbedarf. Man dürfe den Wohnbau nicht ausschließlich dem Markt überlassen. Ein Mischsystem, wie es Wien habe, „ist das spannendste. Ich kann auch nicht behaupten, dass wir im Sozialbau zu wenig Menschen mit Migrationshintergrund und sozialen Herausforderungen haben. Sie leben zu einem Großteil in Gemeindewohnungen.“ Er lege aber auf die soziale Durchmischung Wert. „An der Visitenkarte soll man nicht den sozialen Status erkennen können.“
Noch eines betont er. Gerade bei der Sanierung habe man auch viele Private gefördert. „Dass das Stadtbild in den Gründerzeitvierteln so schön ist, hängt auch an der Bereitschaft Wiens, viel Geld in die Hand zu nehmen, um Private zu unterstützen, ihren Wohnungsbestand für die Zukunft zu sichern.“

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