Peter Habeler: „Jetzt geht es ratz-fatz auf den Everest“

Peter Habeler vor zwei Jahren am Gratlspitz.
Peter Habeler vor zwei Jahren am Gratlspitz.(c) Maria Noisternig, Forum Alpbach
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Bergsteigerlegende Peter Habeler (76) über durchgefeierte Nächte vor der Wanderung auf den Gratlspitz, warum er immer auf Gipfel hinauf wollte – und wieso es keine Schande ist, auch einmal die Bahn auf den Berg zu nehmen.

Die Presse: Wenn man zum Sonnenaufgang auf den Gratlspitz geht, muss man sich fast anstellen. Stört Sie das?

Peter Habeler: Nein, das ist nicht tragisch, das passiert ja nicht jeden Tag. Das ist einmalig. Und am Besten gefällt mir, dass einige Studenten durchfeiern in irgendeiner Disco, um halb fünf zum Treffpunkt kommen und mit uns hinaufgehen. Und dann oben stehen und über die schöne Gebirgswelt staunen.

Und wenn von denen einer noch ein bisschen rauschig ist?

Rauschig sind sie eh nicht, ich habe jedenfalls noch keinen gesehen. Und es ist ja keine weltmeisterliche Leistung, auf den Gratlspitz zu gehen. Der Weg – eigentlich muss man schon sagen: der Steig, denn das ist es – ist natürlich nicht ganz leicht, aber das schaffen sie. Und ich finde das lustig und toll.

Ohne Schlaf auf den Berg zu gehen: Ist das nicht eigentlich tabu?

Normalerweise wäre es ein No-Go, die Nacht durchzumachen und danach irgendwo hinauf zu gehen. Aufpassen muss man freilich auch am Gratlspitz. Man kann auch da zu Schaden kommen, wenn man stolpert. Es gibt einige Extrembergsteiger, die sich im leichten Gelände derstessen haben.

Wie viele Bergsteiger verträgt ein Berg?

Das ist relativ. Wenn am Everest 1500 Leute im Basislager sind, würde ich sofort sagen: Es sind einfach zu viele. Oder wenn am Großglockner an einem Wochenende 250 Leute unterwegs sind. Aber es gibt eben jetzt eine Renaissance des Bergsteigens, mit vielen jungen Leuten. Und das taugt mir natürlich schon. Früher war das eher was für Leute mit grauen Lodenjankern. Das hat sich geändert.

Woher kommt diese Renaissance?

Das kann ich nicht genau beantworten. Natürlich ist der Berg faszinierend, das Bergerlebnis wird beworben, damit tritt man bei mir offene Türen ein. Die Bewegung ist ja generell gesund, ein Gipfelerlebnis ist eine ganz eigene Geschichte. Und wenn man von unten wieder raufschaut und sich gar nicht vorstellen kann, dass man da oben gewesen ist – das ist schon toll.

Ist es das, was Sie selbst motiviert?

Es ist eine Vielfalt von Dingen. Dass man schon bei der Planung gefordert ist und gleichzeitig Vorfreude hat. Dass man ein klar definiertes Ziel hat. Dass man den inneren Schweinehund überwindet. Wie Viktor Frankl gesagt hat, den ich kennen durfte: Wer ist stärker, ich oder ich?

Wie hat das bei Ihnen angefangen?

Es ist ja fast banal, ich bin im Zillertal groß geworden. Und mich hat einfach der Berg und der Gipfel fasziniert. Ich wollte aufi, ich wollte schauen, ob man da oben mehr sieht. Ich weiß nicht, was man mir gesagt hat, vielleicht, dass man da das Meer sehen kann. Die Neugierde ist auch eine Triebfeder.

Das Meer sieht man aber nicht von den Zillertaler Gipfeln aus.

Man sieht nicht einmal den Gardasee. Da sieht man ein paar Stauseen. Aber die sind ja jetzt auch schön und blitzen türkis herauf.

Vor 40 Jahren haben Sie als Erster den Everest ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen. Wie erinnern Sie sich daran?

Es ist schon toll, dass der Reinhold Messner und ich das geschafft haben. Aber ich bin deshalb nicht narrisch geworden. Ich bin froh, dass ich noch viel unterwegs sein darf, dass ich noch schwere Touren klettern kann. Dass mich der Everest nicht vernichtet hat.

Tut es Ihnen weh, wenn Sie diese enorme Everestindustrie sehen, die es heute gibt?

Wehtun kann man nicht sagen. Wir waren privilegiert. Wir durften die einzige Mannschaft sein, die im Basislager saß. Jetzt ist es halt anders. Alles hat seine Zeit.

Würde Sie der Everest heute reizen?

Der Everest ist das Paradebeispiel, wie der Großglockner oder der Montblanc: Da wollen die Leute rauf. Und irgendwie verstehe ich es, weil ich ja auch hinauf wollte. Jetzt sind es mehr. Und jetzt muss man schauen, dass man ausweicht, dass man vielleicht an einem Mittwoch auf den Glockner geht.

Und auf den Everest? Würden Sie da heute noch hinauf gehen wollen?

Nein, da hätte ich keine Lust. Der Everest ist nicht mehr der gleiche wie vor 40 Jahren, wo kein Fixseil war, wo man sehr viel Ruhe hatte. Das ist ja auch herrlich. Jetzt geht es ratz-fatz. Wenn gutes Wetter angesagt ist, dann starten 380 Leute. Das ist dann schon Brutalität, um es mit Qualtinger zu sagen.

Zurück nach Hause: Auf welche Tiroler Berge gehen Sie gerne?

Ich mag alle Gipfel, die ich gemacht habe. Auch die, die ich noch nicht gemacht habe, weil es ist ja nicht so, wie manche glauben, dass ich auf jedem Berg oben war. Die Zillertaler Berge kenne ich gut, aber mir gefällt auch das Ötztal, das Stubaital, der Wilde Kaiser, der Dachstein. Und Sie werden lachen, mir gefällt sogar der Schneeberg, die Rax.

Und über welche Routen gehen Sie auf die Wiener Hausberge hinauf?

Das letzte Mal bin ich mit der Bahn hinaufgefahren. Das ist eine tolle Route (lacht). Wir sind ja keine Masochisten. Oben herumzuspazieren, sich dort umzuschauen bei den Hütten: Mir gefällt das auch.

Veranstaltung

Morgen, Dienstag, findet die Sonnenaufgangswanderung auf den Gratlspitz statt. Treffpunkt ist um 4.30 Uhr vor dem Congress Centrum, geplante Rückkehr etwa um 8 Uhr. Mit dabei ist Extrembergsteiger Peter Habeler (76). Er wurde 1978 durch die Erstbesteigung des Mount Everest ohne künstlichen Sauerstoff berühmt, gemeinsam mit Reinhold Messner. Mit ihm durchstieg er 1974 auch in Rekordzeit die Eiger-Nordwand. Kurz vor seinem 75. Geburtstag durchkletterte Habeler sie erneut.

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