Was sich in Alpbach ändern wird

Neue Perspektiven: Das Forum Alpbach will noch internationaler werden und Studenten mehr selbst organisieren lassen.
Neue Perspektiven: Das Forum Alpbach will noch internationaler werden und Studenten mehr selbst organisieren lassen.Daniel Novotny
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Zukunft. Mehr Internationalität, weniger Innenpolitik und mehr Selbstorganisation der Studenten – das Forum will eine neue Art des Lernens etablieren. Das Generalthema 2019 lautet „Freiheit und Sicherheit“.

Er habe sich mit dem Thema unglaublich schwer getan, sagt Philippe Narval. Für den Geschäftsführer des Forum Alpbach sei Diversität und Resilienz, das Generalthema für 2018, zunächst nicht wirklich greifbar gewesen. Doch im Verlauf der letzten Wochen sei es auch für ihn immer konkreter geworden. „Es war für mich positiv überraschend, welche Assoziationen die Leute da hereingebracht haben.“ Und am Ende sei doch einiges hängen geblieben – für ihn war das vor allem die Performance der tanzenden Rollstuhlfahrer zur Eröffnung der Gesundheitsgespräche. „Und auch die sehr spürbare internationale Stipendiaten-gruppe – allein 37 Afrikaner und über 20 Chinesen – hat die Diversitätsdebatte extrem bereichert.“ Dass die Debatten von mehr als 5000 Teilnehmern aus 120 Nationen ohne Streit abgelaufen seien, obwohl es viele unterschiedliche Meinungen gab, „das ist für mich die Urkraft von Alpbach“.

Und doch war das Forum heuer in einer anderen Situation als sonst. Da wurde gesprochen über die Wirtschaftskammer, die heuer nicht mehr als Partner dabei ist. Da wurde dem Forum attestiert, zu wenig innovativ zu sein – und plötzlich wurde sogar über eine Konkurrenzveranstaltung zum Forum spekuliert, die aus dem Umfeld von Kanzler Sebastian Kurz organisiert werden soll. „Gerüchte kommentieren wir nicht und bisher sind es nur Gerüchte“, sagt Narval. Was den Vorwurf der Behäbigkeit angehe, solle man einfach mit den Menschen reden, die hier sind. Das sei ein guter Qualitätsindikator. Ein Beispiel: „Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz fährt nach 30 Jahren nicht mehr nach Davos, sondern will nächstes Jahr wieder nach Alpbach kommen.“

Das Forum habe sich verändert, meint er. Die Ausrichtung sei internationaler geworden, von Themen der heimischen Tagespolitik habe man sich zunehmend verabschiedet. „Innenpolitische Themen und sozialpartnerschaftlichen Streit – dafür ist unser Publikum nicht mehr bereit zu zahlen.“ Die Menschen wollen internationales Know-how, die Vernetzungen mit Jungen. Und hier werde man auch der heimischen Politik und Wirtschaft weiter Angebote machen. „Wir müssen ein Fenster zur Welt sein, ein Soft Diplomacy Tool für die österreichische Exportwirtschaft.“ Was den sozialpartnerschaftlichen Streit angeht, sei es vielleicht sogar gut, wenn über eine andere Veranstaltung als Konkurrenz debattiert werde, meint Narval, „denn das passt hier nicht mehr her“. Aber abseits aller medialer Debatten habe man mit Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer ohnehin schon vereinbart, im Herbst über gemeinsame Strategien und Ziele zu sprechen.

Klar ist jedenfalls, dass man weiter ein Forum sein will, in dem es keine Monokultur an Meinungen gibt, sondern eine Diversität an Ansichten im respektvollen Umgang miteinander möglich ist. Das habe man unter anderem beim Auftritt von Außenministerin Karin Kneissl beim Forum gesehen – auch, wenn viele der Meinung gewesen seien, dass der Auftritt des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei ihrer Hochzeit ein schwerer politischer Fehler gewesen sei, sei ihr niemand feindselig begegnet. „Das ist eine Kultur, die in Alpbach seit 75 Jahren etabliert ist, dass man sich respektvoll zuhört.“ Und solche Orte brauche die Politik – gerade heute. „In Zeiten, wo wir immer weiter auseinanderdriften“, meint der Forums-Geschäftsführer, „ist das eine tolle Qualität.“

Beim Ablauf soll sich aber doch etwas ändern. So gebe es bei den Studenten einen enormen Willen, noch stärker selbstorganisiert zu lernen, auf Augenhöhe mit Wissenden zu arbeiten. „Es reicht nicht, die Jungen in Panels und zu Kamingesprächen zu schicken.“ Ein Wunsch sei etwa, neben den Wissenseinheiten mehr künstlerische, kreative Prozesse zu starten oder Räume zu öffnen. Eine Idee, in der Narval viel Potenzial sieht: „Hier werden in fünf Jahren Akademiker herkommen, die diese neue Art des Lernens erfahren wollen. Die Jungen werden uns auf Augenhöhe etwas beibringen.“

Thema 2019: „Freiheit und Sicherheit“

Aber bei allen Ideen für neue Formen – ein Generalthema für die Veranstaltung wird es weiterhin geben: 2019 wird es „Freiheit und Sicherheit“ lauten. Eine Entscheidung, die im Vorstand unter anderem in Hinblick auf den Rückenwind für autokratische Systeme gefallen ist. „Mein Favorit war ein anderes – das war ,Open Society reloaded', aber Franz Fischler und ich wurden überstimmt.“ Und so wie schon bei „Diversität und Resilienz“ werde er ganz blank in die Debatten gehen, wie dieses Thema aufbereitet werden kann. Nur soviel: „Wir sollten uns nicht auf das klassische Thema konzentrieren, das eh schon in den Medien behandelt wird.“

Digitalisierung und Klimakrise, auch das seien Themen, die aus dem Blickwinkel von Sicherheit und Freiheit diskutiert werden können. „In Zeitenwenden steigt die Unsicherheit, weil die alten Modelle nicht mehr greifen und neue noch nicht da sind“, meint Narval. „Da ist der Wunsch nach Sicherheit groß.“ Hier müsse das Forum ein Angebot machen, nämlich Menschen in verständlicher Sprache aufzeigen, in welche Richtung es gehen könnte. „Und die Angst nehmen, dass Veränderung immer Nachteile bringt.“

„Diese Themen sind nicht ideologisch“

Im Gegenteil, meint Narval, Antworten auf die Klimakrise könnten ja auch positive Auswirkungen haben – etwa dass sich, indem man mehr mit dem Rad fährt, das persönliche Wohlbefinden erhöht. „Alpbach kann in der Vielfalt der Antworten ein bisschen mehr Orientierung geben. Und Pioniere auf die Bühne holen, die zeigen, dass es geht.“ Wichtig dabei sei aber, dass man sich nicht in ein Eck drängen lasse.

Ein Spannungsfeld sei etwa, dass manches, was in Bezug auf die Klimakrise und mögliche Lösungswege gesagt wird, als links tituliert wird – die Kreislaufwirtschaft, zum Beispiel. Hier mahnt Narval, nicht in alten Schubladen zu denken: „Leute, bitte, diese Themen wie der Kampf gegen die Klimakrise sind nicht ideologisch, so wie auch Bildungsthemen nicht ideologisch sind. Das sind Dinge, die selbstevident sind. Und wer sich dem verschließt, den wird die Geschichte überholen.“

EFA 2019

Freiheit und Sicherheit ist das Generalthema des Europäischen Forum Alpbach im kommenden Jahr, das von 14. bis 30. August stattfinden wird.

Info: alpbach.org/2019

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2018)

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