Erdoğan hetzt gegen Israel

Der türkische Präsident Erdoğan stilisiert sich als Machtzentrum der islamischen Welt, links von ihm Jordaniens König Abdullah, rechts Palästinenserpräsident Abbas.
Der türkische Präsident Erdoğan stilisiert sich als Machtzentrum der islamischen Welt, links von ihm Jordaniens König Abdullah, rechts Palästinenserpräsident Abbas.APA/AFP/YASIN AKGUL
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Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit hat Ost-Jerusalem zur Hauptstadt Palästinas erklärt. Eine gemeinsame Antwort zu Trumps Israel-Erklärung kam nicht zustande.

Istanbul. Die Bekräftigung völlig unumstrittener Positionen ist ein bewährtes Mittel der Diplomatie, wenn ein Konsenspapier her muss, ohne dass es einen Konsens gibt. Auf diese Methode besannen sich die 57 Staaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) bei ihrem Treffen am Mittwoch in Istanbul: Unter der Leitung der Gastgeberin Türkei wurde eine 23 Punkte umfassende Abschlusserklärung verabschiedet, in der die kürzliche Jerusalem-Entscheidung der USA kritisiert wurde.

Die islamische Welt erkenne Ost-Jerusalem als Hauptstadt der Palästinenser an, hieß es darin – was vor allem von der türkischen Seite als historischer Durchbruch verkauft wurde. Allerdings steht dieses Bekenntnis schon seit Jahrzehnten in der Satzung der OIC.

Noch während die Delegierten zusammensaßen, zeigte sich zudem, dass nicht alle islamischen Länder an einem Strang ziehen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte als derzeitiger Ratsvorsitzender das OIC-Sondertreffen einberufen, um Donald Trump eine gemeinsame Antwort der islamischen Welt zu geben. Trumps Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels und seine Ankündigung, die US-Botschaft von Tel Aviv dorthin zu verlegen, war zwar in vielen muslimischen Nationen kritisiert worden, allerdings in unterschiedlicher Schärfe. Viele Staaten wollen es sich nicht mit den USA verderben.

Erdoğan zog gegen Israel vom Leder. „Das Schicksal Jerusalems kann nicht einem Land überlassen werden, das sich von Blut ernährt und seine Grenzen erweitert, indem es Kinder, Zivilisten und Frauen brutal ermordet.“ Und dem US-Präsidenten rief er zu: „Hey Trump, stehst du hinter diesem Israel? Hier gibt es Besatzung, hier gibt es Folter, hier gibt es Terror.“

Saudi-Kronprinz in Israel

Erdoğan versuchte, die Delegierten auf eine scharfe Linie gegenüber den USA einzuschwören. Er nannte Israel einen „Besatzungsstaat“ und einen „Terrorstaat“ und warf Washington vor, nicht an der Seite der friedliebenden Kräfte im Nahen Osten zu stehen. Das mache Frieden unmöglich.

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas betonte, die USA hätten sich als Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern disqualifiziert. Trump wolle Jerusalem den Israelis zum „Geschenk“ machen, ganz so, als ob der US-Präsident allein über die Angelegenheit entscheiden könne. „Nie“ wieder könnten die USA beim Friedensprozess eine Rolle spielen, sagte er. Schon vor der Konferenz in Istanbul hatte er diese Haltung in die Tat umgesetzt, indem er ein Treffen mit US-Vizepräsident Mike Pence ausschlug, der in den kommenden Tagen in Nahost erwartet wird.

So weit wie Abbas wollen andere trotz der teilweise scharfen Rhetorik nicht gehen. So erneuerte die Abschlusserklärung zwar die ohnehin längst beschlossene Position einer Anerkennung Ost-Jerusalems als Hauptstadt eines künftigen Palästinenser-Staates und forderte die internationale Gemeinschaft auf, Palästina als Staat und Ost-Jerusalem als besetzte Palästinenser-Hauptstadt zu betrachten. Auch wird Trumps Jerusalem-Ankündigung für null und nichtig erklärt. Doch anders als bei Trump gab es in dem Abschlusspapier keinerlei Festlegung auf Konkretes: Von einer Verlegung muslimischer Botschaften nach Ost-Jerusalem war keine Rede. Auch Erdoğans Ankündigung, die Beziehungen zu Israel abzubrechen, wurde nicht mehr erwähnt.

Ohnehin lautet die Frage, wie viel die gemeinsame Haltung der OIC wert ist. Saudiarabien etwa, das als Hüterin der heiligen Städte Mekka und Medina sowie als Partner der USA eine Schlüsselrolle spielt, geht offenbar eigene Wege. Noch während die Konferenz von Istanbul tagte, bestätigte der israelische Geheimdienstminister Yisrael Katz gegenüber der Zeitung „Haaretz“, er habe den saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman nach Israel eingeladen.

Diese Verbindungen entsprechen dem Kalkül der Trump-Regierung. Sie will eine neue Allianz aus Saudiarabien, anderen Golfstaaten und Israel bilden, um gegen die Machterweiterung des gemeinsamen Gegners Iran in der Region vorgehen zu können.

AUF EINEN BLICK

OIC. Der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) gehören derzeit 57 Länder an. Sie wurde 1969 mit dem Ziel der Zusammenarbeit gegründet, ihr Sitz befindet sich in Jeddah, Saudiarabien. Bei dem aktuellen OIC-Gipfel in Istanbul haben die Teilnehmer Ostjerusalem zur Hauptstadt Palästinas erklärt, wiewohl das ohnehin schon in der OIC-Satzung steht. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anerkannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2017)

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