Bericht: Kreisky von Mitarbeiter ausspioniert

Themenbild: Bruno Kreisky Archiv.
Themenbild: Bruno Kreisky Archiv.(c) Clemens Fabry
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Hoher Kanzleramtsbeamter soll für Ungarns Geheimdienst gearbeitet haben.

Wien. Ein hoher Beamter im Bundeskanzleramt hat laut „Profil“ für Ungarns Geheimdienst den früheren Bundeskanzler Bruno Kreisky (1970–1983) und sogar seinen Vorgänger Josef Klaus (ÖVP, 1964–1970) bespitzelt. Erst heuer habe der ungarische Historiker Lajos Gecsényi den mittlerweile Verstorbenen enttarnt.

Gecsényi fand demnach im Archiv des Geheimdiensts in Budapest 18 Ordner mit Berichten und Dokumenten des Beamten, der in der Sektion IV des Bundeskanzleramtes gesessen und SPÖ-Mitglied gewesen sei: Er hatte Zugang zu Akten über die verstaatlichte Industrie, die heimische Energiepolitik und Informationen über Außenhandel und den EU-Vorgänger EWG. Der „bieder wirkende Österreicher“ habe 1965 bis 1982 für Ungarn gearbeitet und unter dem Namen „Livingstone“ Berichte geschickt, interne Telefonlisten und vertrauliche Akten bzw. deren Kopien.

Grundsätzlich habe es im Warschauer Pakt Ungarn übernommen, sozialdemokratische Parteien im deutschsprachigen Raum zu überwachen. Livingstone lieferte etwa Insiderberichte aus der SPÖ und der Sozialistischen Internationale (SI). Von einer Tagung der SI in Genf 1975 meldete er etwa einen heftigen Streit zwischen dem deutschen Kanzler Helmut Schmidt und Bruno Kreisky über Rezepte gegen die Wirtschaftskrise.

„Unscheinbare“ als Spione

Ungarn habe Livingstone, der dafür oft gelobt worden sei, in den 1970er-Jahren im Schnitt 35.000 Schilling im Jahr bezahlt, nach heutiger Kaufkraft gut 8000 Euro. Der Beamte sei hinsichtlich der Brisanz seiner Arbeit aber nicht mit dem DDR-Spion Günter Guillaume (1927–1995) gleichzusetzen, der sich 1970 ins Kabinett des deutschen Kanzlers Willy Brandt einschlich.

Östliche Geheimdienste hätten in Wien ein dichtes Netz von Informanten ausgebreitet, sagt der Grazer Historiker Stefan Karner. „Mitarbeiter der zweiten und dritten Garnitur in Ministerien wurden angeworben, oft und absichtlich unscheinbar wirkende Beamte.“ (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2017)

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