Beamte bleiben zu Hause, Soldaten machen Dienst ohne Sold. Die Lösungssuche läuft nur schleppend an.
Washington. In Washington werde ja manchmal Verrücktes angerichtet – „aber das hier ist der pure Wahnsinn“, sagt der Präsident des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, über die Haushaltssperre, die seit der Nacht zum Samstag gilt. Ryans Republikaner und die oppositionellen Demokraten schieben sich gegenseitig die Schuld an dem budgetären Debakel zu, doch Kompromisse sind bisher nicht in Sicht. Währenddessen versucht eine parteiübergreifende „Koalition der Vernunft“ aus rund 20 Kongressmitgliedern, einen Ausweg zu finden und die Haushaltsgelder wieder fließen zu lassen.
Am Wochenende wurden die konkreten Auswirkungen des Haushaltsstreits erkennbar. Die Freiheitsstatue in New York wurde für Besucher geschlossen, weil das Personal nach Hause geschickt worden war. Beim US-Finanzamt IRS kämpfte sich eine stark reduzierte Rumpfmannschaft durch eine Welle von Anfragen wegen der zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Steuerreform. Etwa 850.000 Staatsbedienstete müssen in den Zwangsurlaub und bekommen vorerst kein Geld. Die Soldaten der Armee tun weiter Dienst, werden vorerst aber nicht mehr bezahlt.
Um den Zorn der Öffentlichkeit auf die Politiker zu zügeln, ordnete die Regierung an, dass die als Ausflugsziel beliebten Nationalparks trotz des Shutdowns geöffnet bleiben sollen. Doch wird dort bis auf Weiteres der Müll nicht mehr eingesammelt.
Inhaltlich geht es bei dem Streit um Forderungen der Demokraten nach Zugeständnissen der Republikaner in der Einwanderungspolitik. Die Opposition, ohne deren Stimmen die Haushaltsgelder nicht freigegeben werden können, verlangt eine dauerhafte Duldung von rund 800.000 Einwanderern, die als Kinder ohne Papiere in die USA gekommen sind. Es gibt aber keinerlei Bewegung in dem festgefahrenen Streit um die sogenannten Dreamer, zitierte der Nachrichtensender CNN einen Mitarbeiter der Demokraten. Die Republikaner werfen den Demokraten vor, ihnen seien illegale Einwanderer wichtiger als das Funktionieren des Staats.
In einem gewissen Maß stimmt das sogar. Die Parteiführung der Demokraten im Kongress steht unter hohem Druck der eigenen Basis, dem verhassten Präsidenten, Donald Trump, entschlossenen Widerstand entgegenzusetzen. Vor den Zwischenwahlen im Kongress im November müssen die demokratischen Politiker ihren Wählern zeigen, dass sie nicht nur über Trump schimpfen, sondern auch etwas tun.
Nicht nur deshalb rückt Trump selbst immer stärker in den Mittelpunkt des Streits. Der Präsident hat vor zehn Tagen seine Mitarbeit bei einer umfassenden Reform der Einwanderungspolitik zugesagt, wenig später aber den Zuzug von Menschen aus armen „Scheißloch-Ländern“ abgelehnt. Trumps Sprunghaftigkeit mache Verhandlungen mit der Regierung schwierig, klagte der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer: Gespräche mit Trump seien wie der Versuch, Pudding an die Wand zu nageln.
Trump hat seinen eigenen Wählern eine harte Haltung in der Immigrationspolitik versprochen und besteht unter anderem auf dem Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. Der 71-Jährige ist jedoch kein Ideologe und hat in der Vergangenheit eine Lösung befürwortet, die den Interessen der Dreamer gerecht würde. Nun lautet die Frage, was der Präsident im Haushaltsstreit erreichen will – derzeit weiß das niemand.
Während der letzten Haushaltssperre im Jahr 2013 unter seinem Vorgänger Barack Obama hat Trump noch die Verantwortung des Präsidenten zur Klärung der Lage betont. Jetzt sei Trump selbst an der Reihe, erinnern Schumer und andere Politiker: Der Präsident müsse die Suche nach der Lösung in die Hand nehmen.
Davon war zunächst jedoch nichts zu sehen. Per Twitter beschuldigte Trump die Demokraten für das Chaos. Der Fraktionschef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, setzte unterdessen für die Nacht zum heutigen Montag eine Abstimmung über einen neuen Rettungsversuch an, mit dem die Haushaltssperre für eine Woche aufgehoben werden soll, um Zeit für Verhandlungen zu schaffen. McConnels Republikaner brauchen bei dem Votum im Senat mindestens 60 Stimmen, verfügen selbst aber nur über 51 Mandate. Die Hilfe zumindest einiger Demokraten ist also unverzichtbar.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2018)