Kneissl bescheinigt Frankreich und Niederlanden Erbsenzähler-Mentalität

APA/HERBERT NEUBAUER
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Österreichs Außenministerin beklagt die Blockade der EU-Balkanerweiterung. Mit einem zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr will sie Syrien und danach auch die Ukraine, Libyen und den Jemen von Minen befreien.

Wien. Kleinstaaten, die sich außenpolitisch nützlich machen wollen, müssen nach Nischen suchen. Österreich wird sich in Kriegsgebieten verstärkt bei der Räumung von Minen engagieren. In Syrien zunächst, später dann vielleicht auch in der Ukraine, in Libyen und im Jemen. Das erklärte Außenministerin Karin Kneissl am Dienstag bei einer Pressekonferenz, in der sie einen Ausblick auf das kommende Jahr gab. Sie richtete bereits eine Task Force ein und kündigte nun die Reaktivierung eines Minenfonds an, den einst Wolfgang Schüssel im Außenamt eingerichtet hatte. Mit frischem Geld, mit 5,3 Millionen Euro pro Jahr soll der Topf dotiert sein.

Künftig, wenn das Programm auch auf weitere Länder ausgerollt wird, möchte Kneissl jährlich sogar einen zweistelligen Millionenbetrag in die Beseitigung von Minen stecken. Die Initiative fügt sich in eine Tradition ein: Österreich hat an vorderster diplomatischer Front für die internationale Anti-Minen-Konvention gekämpft. Ziel ist es, die Welt bis 2025 minenfrei zu machen.

In Syrien sind derzeit 6,4 Millionen Menschen, vor allem Kinder, von der tödlichen Gefahr bedroht, die vergraben auf Feldern, Wiesen und Straßen lauert. Lediglich im Nordosten des Bürgerkriegslandes haben erst Räumungsarbeiten begonnen. Kneissl, die in der Angelegenheit mit der 1997 geschaffen Unmas (United Nations Mine Action Service) zusammenarbeitet, erachtet die humanitäre Hilfsleistung für essenziell. Der Schwerpunkt liegt auf ländlichen Regionen „Wir müssen für freiwillige Rückkehrer die Möglichkeit schaffen, wieder landwirtschaftlich tätig zu sein“, so Kneissl. Durch die amerikanische Rückzugankündigung sei eine neue Dynamik in Syrien entstanden, die Situation ändere sich jedoch im Tagesrhythmus.

Kneissl setzt als Integrationsministerin Fokus auf Wertekurse

Kneissl hob hervor, nicht nur Syrien, sondern auch dem Jemen während des österreichischen EU-Vorsitzes auf die Agenda gesetzt zu haben. Österreich stehe als Mediator und Austragungsort für Jemen-Friedensgespräche zur Verfügung, sagte sie. Die jüngsten Gespräche fanden vor Jahresende in Schweden statt.

Einmal mehr warf Kneissl der EU Erbsenzähler-Mentalität und Mangel an geopolitischem Denken vor. Besonders aufs Korn nahm die Außenministerin diesmal in ihrer Pressekonferenz die Niederlande und Frankreich; sie appellierte an die EU-Gründungsstaaten, sich nicht länger gegen die EU-Aufnahme südosteuropäischer Staaten von Albanien bis Serbien quer zulegen.

Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit will sich Kneissl unter anderem auf den Kampf gegen die Genitalverstümmelung von Frauen konzentrieren. In Österreich gebe es eine Dunkelziffer von 8000 Betroffenen – zu 100 Prozent mit Migrationshintergrund. Es sei nach wie vor üblich, in den Ferien Mädchen in die alte Heimat zurückzuschicken, um deren Klitoris oder Schamlippen zu beschneiden. Auf Frauen will Kneissl auch in ihrer Funktion als Integrationsministerin setzen, um so Multiplikationseffekte bei den Wertekursen zu erreichen, die künftig stärker auf den jeweiligen Bildungsgrad der Teilnehmer abgestimmt werden sollen.

Doppelpässe für Briten

Zuständig für die EU ist in der türkis-blauen Regierung Kanzleramtsminister Gernot Blümel. Nach einem Austritt aus der Union wird das Großbritannien-Dossier jedoch im Außenamt beheimatet sein. Und so äußerte sich Kneissl auch zum Brexit. Im Falle eines ungeregelten Brexit kündigte sie für die 25.000 Österreicher im Vereinten Königreich eine Doppelstaatsbürgerschaft an.

Zu diesem Zweck werde sich Österreich teilweise aus der Europaratskonvention zur Vermeidung von Doppelstaatsbürgerschaften zurückziehen. Die Ausnahme werde jedoch, wie im Regierungsprogramm festgehalten, außer für die Auslandsösterreicher auf der Insel lediglich für deutschsprachige und ladinische Südtiroler sowie für Holocaust-Überlebende und deren Angehörige gelten. Für türkischstämmige Österreich schloss Kneissl eine Doppelstaatsbürgerschaft aus.

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