China: Die große Hacker-Streitmacht aus dem Reich der Mitte

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Nach der „New York Times“ wirft auch das „Wall Street Journal“ China Hacker-Angriffe vor. Aus keinem Land kommen so viele Attacken wie aus der Volksrepublik.

Peking. Hacker-Angriffe gehören für Journalisten in China zum Alltag. „Liebe Journalistenfreunde“, heißt es etwa in einem Mail an Korrespondenten Anfang der Woche, die Pekinger Landwirtschaftsuniversität habe „eine neue Studie veröffentlicht zum Zustand der Biotope in und um Peking“. Sie sei der Mail als Datei angehängt. Unterzeichnet hat das Schreiben ein Professor Wang. Kaum ist der Anhang angeklickt, jault auch schon der Virenscanner auf. In dem Dokument befindet sich ein Trojaner.

Die „New York Times“ hat jüngst berichtet, dass chinesische Hacker das gesamte Netzwerk des Zeitungshauses infiltriert hätten. Die Hacker hätten Passwörter von Journalisten gestohlen und auch gezielt nach Rechercheergebnissen gesucht. Einer ihrer China-Korrespondenten ist im Vorjahr den Geschäften der Familie von Chinas Premier Wen Jiabao nachgegangen. Seitdem ist die Website der US-Zeitung in China gesperrt. Nun berichtet das „Wall Street Journal“, dass sein Netzwerk ebenfalls ausgespäht worden sei. Und auch die Nachrichtenagentur Bloomberg spricht von Cyber-Attacken.

Das chinesische Außenamt weist alle Vorwürfe zurück. Das Gesetz verbiete Cyber-Angriffe.

Ein Drittel der Attacken aus China

Dabei haben es die chinesischen Hacker keineswegs nur auf US-Medien abgesehen. Tatsächlich ist wahrscheinlich so gut wie jeder China-Korrespondent bereits Ziel einer solchen Attacke geworden. Meist sind es persönlich adressierte Mails mit der Aufforderung, den Anhang zu öffnen. Aber auch Unternehmen und Privatpersonen werden angegriffen. Ein ausländischer Unternehmer in Peking erzählt, er habe auf seinem Rechner das Tonsignal seines Antivirenprogramms eingeschaltet. Das Piepsen habe gar nicht mehr aufgehört.

Hacker sind in allen Ländern aktiv. Und die USA geben auch unumwunden zu, dass ihre Behörden weltweit gezielt Rechner durchstöbern. Doch aus keinem Land kommen inzwischen so viele Cyber-Attacken wie aus China. Wie dem jüngsten „State of the Internet“-Bericht des US-IT-Dienstleisters Akamai zu entnehmen ist, hat im vierten Quartal 2012 ein Drittel aller weltweiten Angriffe ihren Ursprung in der Volksrepublik. Im Vergleich zum zweiten Quartal habe sich die Zahl verdoppelt. Aus den USA kämen 13 Prozent aller Attacken, aus Russland fünf.

Wie viel von den chinesischen Angriffen von staatlichen Behörden betrieben werden, ist nicht bekannt. Das ist auch schwierig. Denn neben dem Staat haben in China auch viele Staatsunternehmen eigene Hacker-Abteilungen. Hinzu kommen Tausende von kleinen Privatfirmen, die im Auftrag des Staates oder von Staatsunternehmen hacken. An technischem Wissen fehlt es nicht.

In der Volksrepublik ist nicht lizensierte Software weit verbreitet. Das macht die Rechner anfällig für Cyber-Angriffe. Hackertum hat sich in China daher sehr viel stärker als in anderen Ländern zum Volkssport entwickelt – sei es, um Konkurrenten auszuspionieren, Kundeninformationen zu missbrauchen oder um Firmen zu erpressen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2013)

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