Analyse: Den Krieg gewonnen, den Frieden verloren

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Vom Irak-Krieg haben alle profitiert: der Iran, die Schiiten, die Kurden, sogar die Islamisten - am allerwenigsten jedoch die USA.

Kairo. „Was nützt uns dieses erstklassige Militär, wenn wir es nicht einsetzen können?“, fragte die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright den Ex-Stabschef Collin Powell. Es schien zunächst so einfach: Man setze seine überlegene militärische Hardware ein, bezwinge den Gegner und erreiche so seine politischen Ziele. Es dauerte nur 26 Tage, bis Saddam Husseins Armee ausgelöscht oder aufgelöst war. Doch am Ende erwies sich das Irak-Abenteuer für Washington als politisches Desaster.

Die Nutznießer des Irak-Krieges entsprechen so gar nicht den US-Vorstellungen. Am meisten hat der Iran von der Nachkriegszeit profitiert. Der größte Gegner des Iran – Saddam Hussein – war ausgeschaltet, und für den Iran öffnete sich das Tor in den Irak. Teheran stellte sicher, dass in Bagdad eine iranfreundliche Regierung an die Macht kam – mithilfe der schiitisch-islamischen Parteien im Irak und mit einem effektiven pro-iranischen Netzwerk, das durch die engen Beziehungen mit der schiitischen Bevölkerungsmehrheit im Irak genährt wird.

Achse Teheran–Beirut–Damaskus

Der iranische Einfluss geht weit über den Irak hinaus, die Achse Teheran–Bagdad–Damaskus reicht bis hin zu den Hisbollah in Beirut. Die Folgen des Irak-Kriegs, der Aufstieg der Regionalmacht Iran und die davon bedrohten Golfstaaten, haben vielerorts inzwischen die Form eines interreligiösen Konflikts zwischen Schiiten und Sunniten angenommen, der die Region ernsthaft destabilisiert.

Profitiert haben auch die militanten Islamisten, die sich mit dem Markennamen al-Qaida schmücken. Der Irak-Krieg hat den al-Qaida-Kämpfern, die in Afghanistan 2001 ernsthaft unter Druck geraten waren, neues Leben eingehaucht. Die US-Strategie, im Irak auf die Kurden und Schiiten zu setzen, hat einen Teil der Sunniten in die Arme der al-Qaida getrieben, die den Widerstand gegen die Besatzung als Heiligen Krieg vermarkten konnte. Die Auswirkungen sind bis heute zu spüren: Beim Angriff aufs US-Konsulat in Bengasi im Vorjahr waren Kämpfer am Werk, die ihre Ausbildung im Irak erhalten hatten.

„Die USA haben den Krieg gewonnen, der Iran gewann den Frieden und die Türkei die Verträge“, lautet die Analyse der „Financial Times“, die untersuchte, wer vom Krieg wirtschaftlich am meisten profitiert hat. Ausgerechnet die Türkei, die sich 2003 als Aufmarschgebiet für die US-Truppen gegen den Irak verweigert hatte, hatte den größten ökonomischen Vorteil. Der Irak ist nach Deutschland zum wichtigsten Exportmarkt für türkische Produkte avanciert. Allein im vorigen Jahr lieferte die Türkei Produkte im Wert von 10,8 Milliarden Dollar ins Nachbarland.

Alle, mit denen Washington im Irak zusammengearbeitet hat, nutzten die Militärmacht der USA, um ihre eigenen Interessen voranzutreiben: Premier Nuri al-Maliki, die Schiiten, die Kurden oder die sunnitischen Erwachungsmilizen, die einst gegen al-Qaida ins Leben gerufen wurden.

Um Jahre zurückgeworfen

So ist der Irak-Krieg vor allem eine weitere Lektion, dass sich interne und regionale Machtverhältnisse auch mit einer erdrückenden Militärmacht nicht im eigenen Sinne verändern lassen. Nachhaltig verändern sich die Machtverhältnisse in der arabischen Welt nicht durch eine ausländische Intervention, sondern nur von innen heraus, und selbst das ist ein schweres Unterfangen, wie der turbulente Umbruch unter Beweis stellt.

Der Irak-Krieg hat den arabischen Wandel wahrscheinlich um einige Jahre zurückgeworfen, da die arabischen Diktatoren die einheimischen Demokratiebewegungen diskreditieren konnten. Der Irak war ein abschreckendes Beispiel für die Region: ein durch eine ausländische Intervention gesellschaftlich zerstörtes und polarisiertes Land mit einem traumatisierten Volk. Nicht wegen, sondern trotz des Irak-Kriegs ist die arabische Welt ein Jahrzehnt später doch noch in Bewegung geraten: chaotisch, turbulent, mit unbekanntem Ausgang – aber diesmal in Eigenregie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2013)

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