Tschechien: Miloš Zeman, ein Präsident mit Machthunger

Milos Zeman
Milos Zeman (c) Filip Singer / EPA / picturedesk (Filip Singer)
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Pünktlich zum Antrittsbesuch in Österreich am Dienstag macht Zeman wieder mit scharfen Aussagen zur Vertreibung der Sudetendeutschen Schlagzeilen.

Prag. Die Tschechen vertreten gemeinhin die Ansicht, ein idealer Präsident müsse auch heute noch eine Art visionäres „Väterchen“ sein, so wie der tschechoslowakische Staatsgründer T.G. Masaryk. Václav Havel war zum Schluss seiner Karriere ein wenig in diese Rolle hineingewachsen, sein Nachfolger Václav Klaus hat sie nie richtig verkörpern können, und der neue Präsident Miloš Zeman ist meilenweit davon entfernt.

Zeman, der heute zum Antrittsbesuch nach Wien kommt, zeichnet sich zu Beginn seiner Amtszeit durch eine ungewöhnliche Agilität aus. Einheimische Kommentatoren sagen es noch deutlicher: Zeman ist dabei, den Staat nach seinen Vorstellungen umzubauen. Schon in seinem ersten Interview nach seiner Wahl im Jänner plädierte er für das rasche Ende der „ungeliebten“ Regierung und für vorgezogene Wahlen.

Das zu fordern steht ihm freilich ebenso wenig zu wie seine derzeit massive Einmischung in die Bestellung von Botschaftern: Zeman will sich bei jenen bedanken, die ihn im Wahlkampf gegen den „Fürsten“, gegen Karel Schwarzenberg, unterstützt haben: Die einstige First Lady Livia Klausova soll nach seinem Willen Botschafterin in der Slowakei werden. Sie hatte Zeman als „richtigen Tschechen“ gelobt, weil er sein ganzes Leben in der Heimat zugebracht habe – anders als Schwarzenberg, der erst 1989 aus dem Exil in Österreich nach Prag zurückkehren konnte. Besonders übel war die Bemerkung Klausovas, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass auf der Prager Burg (mit Schwarzenbergs Gattin) eine First Lady sitze, „die nur Deutsch spricht“.

Bei den Kommunisten wiederum möchte sich Zeman mit der Bestallung des kommunistischen EU-Abgeordneten und früheren Kosmonauten Vladimir Remek auf dem Botschafterposten in Moskau erkenntlich zeigen. Außenminister Schwarzenberg und Zeman blockieren einander. Zeman glaubt, dass ihm als erstem direkt vom Volk gewählten Staatsoberhaupt mehr Kompetenzen zustehen als seinen Vorgängern. Diese Machtgelüste werden von der Verfassung allerdings nicht gedeckt.

Wahlhilfe für Sozialdemokraten

Von seiner Rolle als Einiger der Nation, die er versprochen hat, ist bis jetzt nichts zu spüren. Auf dem Parteitag der oppositionellen Sozialdemokraten wünschte er ihnen „als Bürger Zeman“ den Sieg bei der Parlamentswahl 2014, auch wenn er „als Präsident Zeman“ zur Neutralität verpflichtet sei.

Auch außenpolitisch geht Zeman eigene Wege. Es war seine persönliche Entscheidung, auf der Prager Burg die EU-Flagge aufzuziehen. Was Brüssel erfreut hat, ist in Tschechien ziemlich umstritten.

Und nun, unmittelbar vor seinem Österreich-Besuch, zieht er sich in der sudetendeutschen Frage auf Positionen zurück, die er vor zehn Jahren schon vertreten hat und die sonst kaum jemand in Prag noch unterschreiben würde. Auf die Frage, ob er heute noch dazu stehe, dass die Nachkriegsvertreibung milder als die Todesstrafe gewesen sei, antwortete er im Interview mit der APA: „Selbstverständlich. Wenn man Bürger eines Landes war und mit einem Land kollaboriert hat, das sein Land okkupiert hat, dann ist die Vertreibung moderater als zum Beispiel die Todesstrafe.“ Als er dies 2002 zum ersten Mal gegenüber dem „Profil“ sagte, erntete er namentlich in Deutschland heftige Kritik. Der damalige Kanzler und sozialdemokratische Parteifreund Gerhard Schröder sagte demonstrativ einen Prag-Besuch ab.

Für Ausbau von Temelín

Zemans Haltung kommt nicht überraschend. Er hat sich jüngst erst mit Vertretern von Widerstandsgruppen getroffen, darunter auch mit Leuten von den nationalistisch-kommunistischen „Klubs der Grenzgebiete“. Zeman will sein Urteil über die Sudetendeutschen aber nicht als Kritik an Österreich oder Deutschland verstanden wissen: „Ich kritisiere nur die historischen Entwicklungen.“ Ob er damit bei seinem Kollegen und „alten Freund“ Heinz Fischer Beifall finden wird, darf aber bezweifelt werden.

Zeman gedenkt auch, beim umstrittenen Thema Temelín hart zu bleiben. Große Erdbeben oder einen Tsunami gebe es in Europa nicht, dafür in der tschechischen Regierung eine Mehrheit für den Ausbau des AKWs Temelín. Und in einem demokratischen Land entscheide nun einmal die Mehrheit. Riskanter als Atomenergie ist Zeman zufolge die Solarenergie: „Wenn man für Solarkraftwerke enorme Subventionen gibt, zerstört dies den Energiemarkt.“ Sonst setzt Zeman auf pragmatische Lösungen für andere bilaterale Probleme: So will er den Autobahnbau zwischen Brünn und Wien sowie zwischen Budweis und Linz voranbringen. Zeman wird seine Argumente in Wien gewohnt jovial vortragen. Er versteht es, Probleme mit ein paar Bonmots wegzulachen. In Tschechien wird man dieser Bonmots freilich langsam müde.

Auf einen Blick

Miloš Zeman (*1944) ist seit 8. März Präsident der Tschechischen Republik. Der ehemalige Sozialdemokrat war von Juli 1998 bis Juli 2002 Ministerpräsident einer Minderheitsregierung. Zeman überwarf sich in den Folgejahren mit seiner Partei und kehrte ihr 2007 den Rücken. Seine neue „Partei der Bürgerrechte“ scheiterte bei der Wahl 2009 am Einzug ins Parlament. Im Jänner setzte sich Zeman bei der Präsidentschaftswahl gegen Außenminister Karel Schwarzenberg durch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2013)

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