Putin: „Snowden ist ein freier Mann“

Putin Snowden freier Mann
Putin Snowden freier Mann(c) REUTERS (LEHTIKUVA)
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Russlands Präsident bestätigte Aufenthalt des Aufdeckers in Moskau. Ein europäischer Aufschrei wegen der Spionage der britischen „Partner“ blieb bisher aus.

Wien/Washington/Ag/Cu/Hd. Am Dienstag war es endlich offiziell: Edward Snowden, Aufdecker britischer und US-amerikanischer Überwachungsprogramme, war tatsächlich in Moskau. Bestätigt hat dies kein Geringerer als Präsident Wladimir Putin: Ja, der von den USA gesuchte ehemalige NSA-Mitarbeiter halte sich im Transitbereich des Flughafens Scheremetjewo auf, sagte Putin am Nachmittag – und spielte den Unschuldsengel: Snowdens Ankunft sei für Moskau „unerwartet gewesen“. Dies ist schwer vorstellbar. Die Fluglinie Aeroflot, mit der der Flüchtige, gegen den in den USA ein Haftbefehl wegen Geheimnisverrats vorliegt, ankam, gehört mehrheitlich dem Staat.

Snowden habe in Russland kein Verbrechen begangen und sei ein freier Mann. Je eher er eine Destination für die Weiterreise wähle, desto besser. Von einer Auslieferung, wie sie Washington nachdrücklich fordert, kein Wort. Er hoffe, sagte Putin, dass die Affäre zu keiner Verschlechterung der Beziehungen zu den USA führe. Die US-Regierung schaltete derweil vom Konfrontationskurs auf Schongang um: Man müsse die Auseinandersetzung mit Russland über Snowden nicht eskalieren lassen, sagte Außenminister John Kerry. Am Vortag war die Tonlage noch eine andere gewesen, gegenüber Moskau, vor allem aber auch gegenüber Peking: Washington hatte China, wo Snowden zunächst untergetaucht war, barsch mit Konsequenzen gedroht, weil es den Gesuchten ausreisen habe lassen.

Vorwürfe aus den USA, Moskau würde einem flüchtigen Straftäter helfen, wies Außenminister Sergej Lawrow zurück: „Die Versuche, Russland der Verwicklung in eine Verschwörung zu bezichtigen, sind absolut inakzeptabel.“ Erstens habe Snowden seine Reiseroute selbst geplant, und zweitens habe der Gesuchte die russische Grenze gar nicht passiert. Solange Snowden den Transitbereich nicht verlässt, ist er zwar auf russischem Territorium, hat aber trotzdem technisch gesehen die Grenze nicht überquert.

FSB schöpft Snowden vor Weiterreise ab

So kann Moskau seine Hände in Unschuld waschen – und trotzdem von den Informationen profitieren, die Snowden auf vier Laptops und zahlreichen USB-Sticks bei sich trägt. Aus dem Umfeld des Geheimdienstes FSB ließ man keinen Zweifel daran: „Dieser interessante Fisch ist in unser Netz geschwommen, und es wäre undenkbar, dass unsere Dienste sich die seltene Chance entgehen lassen würden“, zitiert die „LA Times“ Alexei Kondaurow, einen früheren Geheimdienst-General: „Moskau ist derzeit der sicherste Platz für ihn, selbst wenn er den Preis zahlen muss, von unseren Diensten eingehend befragt zu werden.“

Snowden, IT-Mitarbeiter einer Vertragsfirma des US-Geheimdienstes NSA, war Ende Mai nach Hongkong geflohen und hatte über den „Guardian“ geheime Abhörprogramme publik gemacht, darunter das britische Programm Tempora, das offenbar noch umfangreicher ist als sein NSA-Pendant Prism: Der britische Dienst GCHQ zapft die Glasfaserkabel an, über die die Telefon- und Internetkommunikation über den Atlantik läuft, und schöpft schlicht den gesamten Datenverkehr ab. Ein Teil der Daten wird an die NSA weitergeleitet, hunderte Geheimdienst-Analysten werten sie aus.

Kein europäischer Aufschrei

Großen Aufschrei darüber, dass einer der sogenannten „Partner“ in der EU die anderen hemmungslos ausspäht, gab es nicht. Lediglich Deutschland forderte nachdrücklich von Großbritannien – wie von den USA – umfassende Aufklärung. Die undifferenzierte Ausspähung von Abermillionen Internetnutzern sei nicht mit der deutschen Rechtslage vereinbar, sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Beim Treffen der EU-Außenminister am Dienstag wurde das Thema nur informell besprochen, wie „Die Presse“ erfuhr. Gut möglich freilich, dass manch europäischer Staat sich nicht zu weit mit Kritik aus dem Fenster lehnen will, angesichts möglicher Enthüllungen, die noch kommen könnten.

Weit weniger schweigsam verhält sich indes Ecuador. Außenminister Ricardo Patino teilte am Dienstag mit, das US-Außenministerium habe sich in einer mündlichen Botschaft an sein Land gewandt. Er habe um eine schriftliche Mitteilung gebeten. Hintergrund ist die Ankündigung des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa vom Montag, man werde den Asylantrag Snowdens "mit großem Verantwortungsgefühl" prüfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2013)

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