Moskauer Duell der Saubermänner

Moskauer Duell Sobjanin
Moskauer Duell Sobjanin(c) REUTERS (MAXIM SHEMETOV)
  • Drucken

Am Sonntag wählen die Moskauer einen neuen Oberbürgermeister. Favorit ist Kreml-Kandidat und Amtsinhaber Sobjanin.

Unter die typische Moskauer Geräuschkulisse – das nicht enden wollende Rauschen der Autos – mischen sich in diesen Tagen ungewöhnliche Töne: Hämmern, Bohren, Sägen. In der Nähe des Roten Platzes verlegen Arbeiter neue Pflastersteine für eine Fußgängerzone. Bagger planieren den Platz vor der Lenin-Bibliothek. Am Arbat bepflanzen Gärtner Tröge mit Blümchen, ein paar Meter weiter werden Parkbänke gestrichen. Eile ist angesagt. Bis zum 8.September sind es nur noch wenige Tage.

In Russlands Hauptstadt werden derzeit nicht einfach die üblichen letzten Verbesserungsarbeiten abgewickelt, bevor die kalte Jahreszeit hereinbricht und die Straßen unter einer Decke von Schnee und Eis verschwinden. Am Samstag begeht die Zwölf-Millionen-Metropole ihren Stadtfeiertag, und nur einen Tag darauf sollen die Bürger, ob in Feierlaune oder verkatert, einen neuen Oberbürgermeister wählen.

5000 illegale Einwanderer

In Moskau herrschen Sauberkeit und Ordnung – das signalisieren die Aktionen des amtierenden Stadtchefs Sergej Sobjanin von der Regierungspartei Einiges Russland. Seit Sommer hat man Polizeikontrollen auf Märkten und Baustellen verstärkt, mehr als 5000 illegale Einwanderer in Haft genommen, ein abgeriegeltes Zeltlager für Abschiebefälle wurde errichtet, in dem derzeit Vietnamesen festgehalten werden – eine besonders unbeliebte Migrantengruppe.

Sobjanin, ein weißhaariger, unterkühlter Technokrat aus Sibirien, wurde vor drei Jahren auf den Posten gerufen. Nach der Demontage des zur Belastung gewordenen früheren Bürgermeisters Jurij Luschkow wollte man einen braven Verwalter. Den hat man bekommen. An Sobjanins Sieg zweifelt indes niemand. Von seinen fünf Gegenkandidaten kann ihm nur einer wirklich gefährlich werden. Und der auch nur ideell. Es ist Oppositionsaktivist und Anti-Korruptionsblogger Alexej Nawalny.

Wahlkampf in der U-Bahn

Mit etwas Glück trifft man Nawalny in diesen Tagen in der Moskauer U-Bahn. Der 37-Jährige stapft tapfer durch die Waggons und verteilt seine Wahlwerbung. Danach spricht er in den Wohnbezirken vor den Menschen darüber, wohin ihr Geld verschwindet, und über die Notwendigkeit der Veränderung. Unterstützt wird er von einem Heer Freiwilliger, meist junge Moskauer – eine absolute Neuheit im russischen Wahlkampf. „Wenn du das Land verändern willst, beginn mit Moskau!“, ist Nawalnys Losung. Auch er verspricht Sauberkeit – Rechtssicherheit, Korruptionsbekämpfung, Kontrolle der Behörden.

Mit der Forderung nach einer Visapflicht für zentralasiatische Einwanderer setzt auch er auf die nationalistische Karte, die den Nerv vieler Moskauer trifft. Gemeindeeigene Betriebe sollen keine Migranten mehr einstellen, fordert Nawalny – eine Kampfansage an Sobjanins Stadtverschönerer. Würde das umgesetzt, Moskau würde wohl zusammenbrechen, sind in den schlecht bezahlten Hilfsjobs doch fast ausschließlich Einwanderer tätig. In den Umfragen erhält Nawalny zwischen neun und 20 Prozent der Stimmen. Für ihn ist die Wahl ein Testlauf – mit ungewissem Ausgang.

Eine echte Alternative zu Putin

Dass Nawalny überhaupt teilnehmen kann, war die politische Überraschung des Herbstes. Schließlich war er im Juli wegen angeblicher Veruntreuung zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Einen Tag später setzte die Staatsanwaltschaft das Urteil aus, bis es rechtskräftig ist – offenbar auf Befehl von ganz oben. Das Kalkül: Es wird eine spannende Wahl, und der Kandidat des Kreml bekommt seinen „ehrlich verdienten“ Sieg.

Nawalnys Zukunft ist indes ungewiss. Er könnte nach dem Wahlsonntag verhaftet werden, man könnte Nawalny auch weiter Zeit geben. Und versuchen, aus ihm einen weiteren handzahmen Oppositionellen zu machen. Nawalny, der an der Präsidentenwahl 2018 teilnehmen will, hat indes stets gesagt, dass er sich auf solche politischen Geschäfte nicht einlässt. Tatsächlich ist das sein einziges politisches Kapital: Er ist eine echte Alternative zu Präsident Putin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Sergej Sobjanin
Außenpolitik

Russland: Die misslungene Moskauer Wahlshow

Nur ganz knapp konnte Moskaus wiedergewählter Bürgermeister Sobjanin einer Stichwahl entgehen. Oppositionskandidat Nawalny, der ein Viertel der Stimmen erhielt, spricht von Betrug und ruft zu Protesten auf.
Nawalny erreichte zwar 27 Prozent bei der Moskauer Bürgermeisterwahl in Moskau, konnte jedoch keine Stichwahl erreichen.
Außenpolitik

Kommunalwahl in Moskau: Nawalny wird zum Polit-Faktor

Der Oppositionsführer und Blogger schneidet deutlich besser als erwartet ab und wirft dem Sieger Wahlfälschung vor. Sergej Sobjanin bleibt Bürgermeister.
Außenpolitik

Moskau: Klage über Unregelmäßigkeiten

Bei der ersten Bürgermeisterwahl in Russlands Hauptstadt seit dem Jahr 2003 sollen Soldaten massenhaft zur Stimmabgabe gezwungen worden sein.
MoskauWahl Opposition beklagt Unregelmaessigkeiten
Außenpolitik

Moskau-Wahl: Opposition beklagt Unregelmäßigkeiten

Die Wahlbeobachter beklagen zahlreiche Verstöße. Nawalnys Wahlkampfleiter Wolkow kündigte für diesen Montag eine Demonstration an.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.