"Konflikt ist in militärische Phase getreten"

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Nach dem Tod eines ukrainischen Soldaten spricht Übergangspremier Jazenjuk von "russischen Kriegsverbrechen" auf der Krim.

Warschau/Kiew. Mit deutlichen Worten lehnte die neue Führung in Kiew den von Wladimir Putin am Dienstag abgesegneten Anschluss der Halbinsel Krim an die Russische Föderation ab. Der ukrainische Übergangspräsident Oleksandr Turtschinow hoffte am Dienstagabend, dass „kein zivilisierter Staat der Welt“ die „Annexion der Krim“ anerkennen werde. Kiew werde das „nie“ tun, versprach Turtschinow. „Wir anerkennen weder das Abkommen über die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation noch die Unabhängigkeit der sogenannten Republik Krim an“, ließ das ukrainische Außenamt verlauten. Der amtsführende Justizminister Pawlo Petrenko kündigte an, die Ukraine werde nun sämtliche Immobilien des russischen Staates in der Ukraine und im Ausland in seinen Besitz nehmen. Wie das möglich sein soll, ließ er offen.

Übergangspremier Arsenij Jazenjuk meinte am Abend sogar, der Krim-Konflikt sei von der „politischen in die militärische Phase“ übergetreten. Der Angriff „russischer Soldaten“ auf eine ukrainische Militärbasis in Simferopol sei ein „Kriegsverbrechen“. Unbekannte Uniformierte hatten den Truppenstützpunkt attackiert. Dabei trug erstmals ein ukrainischer Offizier Schussverletzungen davon. Ein weiterer Soldat soll laut dem Verteidigungsministerium in Kiew getötet worden sein. Russland und die Ukraine hatten eigentlich einen Waffenstillstand für die Krim bis 21. März geschlossen.

Versprechen an Ostukraine

Zugleich wandte sich Jazenjuk an die Ostukrainer: Der Übergangspremier versprach den mehrheitlich russischsprachigen Bürgern im industrialisierten Ostteil des riesigen Landes eine Dezentralisierung und mehr Kompetenzen. Dies alles sei ein Teil der neuen Verfassung der Ukraine, versprach er. „Wir haben eigens einen Vizepremierposten für Dezentralisierung im neuen Kabinett geschaffen. „Es geht um eine große Reform, aber im Rahmen der unteilbaren und einheitlichen Ukraine.“

Trotzdem kam es am Dienstag in der Ostukraine erneut zu Unruhen. Erboste prorussische Bürger stürmten in der südostukrainischen Hafenstadt Odessa den Sitz des Geheimdienstes. Dorthin war nach seiner Festnahme am frühen Morgen der prorussische Separatist Antoni Dawidowisch gebracht worden. Die Zentralmacht in Kiew hat mit einer Reihe von Festnahmen und Anklagen gegen prorussische Aktivisten den Volkszorn auf sich gezogen.

Rasche Einführung des Rubel

Auf der Krim wurde der Anschluss an Russland gefeiert. Der selbst ernannte, prorussische Vizepremier, Rustem Temigaljew, kündigte an, den Rubel nun doch schneller als Zahlungsmittel einzuführen. Ab 1.April sollen auf der Krim nicht mehr mit ukrainischen Hrywna gekauft werden können.

US-Vizepräsident Joe Biden kündigte bei einem Besuch in der polnischen Hauptstadt Warschau als erste Reaktion auf Putins Rede und den Anschluss der Krim an Russland eine Verschärfung der Strafmaßnahmen der USA und EU an. „Es wird zusätzliche Sanktionen gegen Russland geben“, sagte Biden nach einem Treffen mit dem polnischen Regierungschef, Donald Tusk, ohne zu spezifizieren, worin diese Sanktionen bestehen sollen. „Die USA verurteilen den Angriff auf die territoriale Integrität der Ukraine“, sagte er. „Die russische Führung hat ihre Intentionen gegenüber der Ukraine klar gezeigt: Sie hat ein illegales Referendum unterstützt, das fast die gesamte Welt verurteilte“, sagte Biden.

Nach einem Gespräch mit dem polnischen Staatspräsidenten, Bronislaw Komorowski, das um mindestens eine halbe Stunde verlängert wurde, traten die beiden in getragen ernster Mine vor die Medien. Biden versicherte den Polen, die USA nähmen Artikel 5 des Nato-Bündnisvertrags „sehr ernst“ und kündigte den Aufbau der bereits beschlossenen und versprochenen Raketenabwehrbasis bis 2018 an: „Zweifelt nicht an unserer Ernsthaftigkeit.“

Gespräche in Litauen

Biden will heute, Mittwoch, nach Vilnius weiterfliegen und in der litauischen Hauptstadt Präsidentin Dalia Grybauskaite und auch die Präsidenten Estlands und Lettlands treffen. Sowohl in den drei baltischen Ex-Sowjetrepubliken als auch in dem im Zweiten Weltkrieg neben Deutschland auch von der Sowjetunion besetzten Polen hat die russische De-facto-Invasion auf der Krim Ängste ausgelöst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2014)

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