Wahlergebnis: Französische Sozialisten verloren 155 Städte

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Frankreich, Wahl(c) REUTERS (ERIC GAILLARD)
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Konservative und Rechtsnationale profitieren von Hollandes Schwäche, Wahlbeteiligung erreichte Rekordtief.

Paris. Die Tageszeitung „Libération“ verglich die Wahlschlappe für die Sozialisten bei der Kommunalwahl mit Napoleons verheerender Niederlage an der russischen Beresina. Und „Figaro“ betonte, dass nicht bloß die erwartete „blaue Welle“, sondern gar eine „Springflut zugunsten der bürgerlichen Parteien die Linksregierung weggespült“ habe.

Die Ergebnisse im Detail: 46 Prozent der Stimmen gingen an die bürgerliche Rechte, 40,5 Prozent an die Linke (Sozialisten, Grüne, Kommunisten und Linkspartei) und knapp sieben Prozent an die extreme Rechte. Über das Kräfteverhältnisse sagen andere Zahlen aber viel mehr aus: Der Kampf auf Kommunalebene zwischen oppositionellen Bürgerlichen und regierender Linke endete krass mit 155 zu 4: Denn die Linke gewann nur gerade vier Städte hinzu, verlor aber insgesamt 155 Städte mit mehr als 9000 Einwohnern an die bürgerlich-konservativen Parteien UMP-UDI. Der rechtsnationale Front National eroberte 15 Städte, darunter Béziers mit 72.000 und Fréjus mit 50.000 Einwohnern sowie als größten Happen den 7. Stadtbezirk von Marseille (150.000 Einwohner). FN-Chefin Marine Le Pen sprach von einer „neue Etappe“ für ihre Bewegung. Was ihrer in der Gemeindeverwaltung weitgehend unerfahrenen Partei fehlt, ist eine Bilanz, an der die Wähler sie messen können.

In der Analyse der Ursachen des Debakels für die regierenden Sozialisten sind sich Medien und Politologen einig: Viele Linkswähler, die noch 2012 François Hollande zur Macht verholfen und ihm eine Parlamentsmehrheit gegeben haben, sind so enttäuscht über dessen Regierungspolitik, dass sie gar nicht mehr wählen gegangen sind. Mehr als 38 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme nicht ab – so viele wie noch nie zuvor bei einer französischen Lokalwahl.

Entsprechend groß scheint die Desillusionierung nach weniger als zwanzig Monaten nach Hollandes Sieg bei der Präsidentenwahl zu sein: Die versprochenen Resultate gegen die Wirtschaftskrise lassen auf sich warten, statt mehr soziale Gerechtigkeit gibt es mehr Arbeitslosigkeit und mehr Armut. Trotz ehrgeiziger Sparziele konnte zudem auch das Defizit des Staatshaushalts für 2013 nicht auf 4,1 Prozent begrenzt werden, es liegt bei 4,3 Prozent. Politisch eingeklemmt zwischen der Erwartungen seiner Landsleute, eine linke Sozialpolitik umzusetzen, und dem Drängen der EU auf einen raschen Schuldenabbau konnte Hollande nur zuschauen, wie die Wähler davonlaufen.

Wegen der Demobilisierung ihrer Wählerschaft haben die Sozialisten nun auch traditionelle Hochburgen verloren: Selbst in Limoges im Südwesten, wo seit 1912 die Linke regiert hatte, triumphierte nun die UMP. Bezeichnend ist auch die Niederlage des bisherigen sozialistischen Bürgermeisters gegen seinen UMP-Gegner in Toulouse. Dort hatte Hollande bei den Präsidentschaftswahlen noch 60 Prozent der Stimmen erhalten. Der Wunsch, die nationale Politik der Regierung und den Staatspräsidenten zu desavouieren, war dieses Mal stärker.

Linke hält Paris, Lyon und Straßburg

Aus lokalpolitischen Gründen konnten sich dagegen in Paris, Lyon und Straßburg linke Mehrheiten halten. In der Hauptstadt zieht mit der Sozialistin Anne Hidalgo an der Spitze einer rot-grünen Koalition erstmals eine Frau ins Rathaus ein. Mit 54,5 Prozent der Stimmen siegte sie deutlich über die rechte Herausforderin Nathalie Kosciusko-Morizet. Den Ausschlag gab dabei die vorwiegend positiv bewertete Bilanz des scheidenden Bürgermeisters Bertrand Delanoë, der es verstanden hatte, neue verkehrs- und umweltpolitische Schwerpunkte zu setzen. Das landesweite Debakel für die Sozialisten verdarb die Siegesfeier in Paris gründlich. (r. b.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

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