Wladimir Putins Politik der gemischten Signale

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Verhalten positives Echo auf die Entspannungssignale aus Moskau, Skepsis über angeblichen russischen Truppenabzug.

Moskau/Kiew/Berlin/Brüssel. Mal setzt er eine verkniffene Miene auf, um ein Einlenken zu signalisieren, mal lässt er die militärischen Muskeln spielen. Wladimir Putin gibt dem Westen mit seiner Politik der gemischten Signale weiterhin Rätsel auf.

Einen Tag nach seinem Friedensangebot– der Aufforderung zur Verschiebung des Referendums in der Ostukraine und dem Befehl zum Rückzug russischer Truppen von der Grenze zur Ukraine – ordnete der Präsident demonstrativ Atomwaffentests an. Moskau bezeichnete den Abschuss von mit Atomsprengköpfen ausgestatteten Interkontinentalraketen und von Marschflugkörpern als reine Routineübung.

Der angekündigte Truppenabzug ruft bei der Nato indessen wieder einmal Skepsis hervor. Er sehe keine Anzeichen für einen russischen Rückzug, erklärte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bei einem Besuch in Warschau. Sergej Lawrow, der russische Außenminister, hatte ihm vorgeworfen, auf einem Auge blind zu sein. Rasmussens Replik fiel lapidar aus: „Ich habe sehr gute Augen.“

Rhetorische Warnung vor Faschismus

Zum Jahrestag des Sieges der Alliierten im Zweiten Weltkrieg goss Putin bei einem Treffen mit Präsidenten ehemaliger Sowjet-Republiken mit seiner Rhetorik Öl ins Feuer. Er warnte dabei unter Hinweis auf nationalistische Strömungen in der Ukraine vor der Gefahr eines neuen Faschismus und eines militanten Nationalismus.

Er ließ dabei offen, ob er heute anlässlich des russischen „Tags des Sieges“ die Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau abnimmt oder vielleicht doch in Sewastopol auf der Krim, dem Sitz der Schwarzmeerflotte. Eine Teilnahme Putins an einer Gedenkfeier zum 70.Jahrestag der Invasion in der Normandie steht dagegen so gut wie fest.

Zugleich rief der russische Präsident die Konfliktparteien in der Ukraine zum Dialog auf. Im Westen rief das Friedensangebot Putins vom Mittwoch ein verhalten positives Echo hervor. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier würdigte dessen „konstruktive Tonlage“, er will Zeichen eines Umdenkens in Moskau erkennen. Andere mahnten allerdings zur Vorsicht, wie der polnische Premier Donald Tusk.

Merkels Analyse

Während der deutsche Verfassungsschutz verstärkte Aktivitäten der russischen Geheimdienste in Deutschland ortet, um die Position der Regierung in Berlin zur Ukraine-Krise, zu Sanktionen und Energielieferungen auszuloten, widmete sich Angela Merkel beim WDR-Europaforum mit einer ausführlichen Analyse dem Ost-West-Konflikt.

Russland verfolge seit Jahren eine veraltete Politik der Einflusssphären. Um Konflikte wie die Abspaltung Transnistriens von der früheren Sowjet-Republik Moldawien zu lösen, habe sie eine Kooperation mit dem Kreml gesucht. „Unter dem Strich muss ich heute sagen: Nach Jahren ist eigentlich kein einziger Fortschritt da.“ Den Griff nach der Krim dürfe und werde man nicht akzeptieren, betonte Merkel. Eine Schuld an der Eskalation wies sie zurück: „Wir haben nie eine Politik des Entweder-Oder verfolgt.“

Unterdessen sieht sich der russische Präsident auch zunehmend mit einer Reihe von Absagen führender westlicher, insbesondere deutscher Manager für das Wirtschaftsforum Ende Mai in St.Petersburg konfrontiert. Selbst Siemens-Chef Joe Kaeser, der Putin im März im Kreml noch die Hände schüttelte, bleibt nun fern. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2014)

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