EU-Beitritt: Wien und seine balkanischen Klienten

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Außenminister Kurz lud zur Balkankonferenz nach Österreich. Auf die Fürsprache Wiens bei ihren EU-Ambitionen konnten sich die Staaten der Region bisher verlassen.

Belgrad. Vor einigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, heute wirkt es wie die normalste Sache der Welt: Wenn die Außenminister Serbiens und des Kosovo bei der Westbalkan-Konferenz, zu der Österreichs Chefdiplomat Sebastian Kurz zahlreiche Kollegen aus der Region für Montag und Dienstag nach Wien geladen hat, gemeinsam am Tisch sitzen. Belgrad erkennt zwar die Abspaltung seiner Ex-Provinz 2008 bis heute nicht an – und wird dies auch auf absehbare Zeit nicht tun – doch hat man mittlerweile dank EU-Vermittlung gelernt, miteinander umzugehen.

Es ist eine Rolle, in der sich Österreich gut gefällt: als Fürsprecher der Balkanstaaten. Es ist eine Rolle, die man durchaus mit Erfolg spielt. „Die Unterstützung Wiens für den Start der EU-Beitrittsverhandlungen war enorm wichtig“, heißt es im Büro des serbischen Premiers Alexsandar Vučić, der Dienstag und Mittwoch seinen flutbedingt verschobenen Wien-Besuch nachholt. Dass Österreich, in manchen Ländern der Region größter Investor, nicht uneigennützig handelt, räumt man am Minoritenplatz offen ein: „Weil es in unserem ureigensten Interesse liegt. Prosperität und Stabilität in unserer Nachbarschaft nützen uns unmittelbar.“ Im Gegenzug sei man auch von negativen Effekten dieser Nachbarschaft betroffen, etwa Drogenschmuggel und Kriminalität.

Doch wie sieht es mit den EU-Perspektiven dieser Staaten konkret aus? Slowenien (2004) und Kroatien (2013) sind bereits im „Club“ und können jenen in der Warteschlange Ezzes geben. Serbien und Montenegro haben die Verhandlungen begonnen.

Die größte Spannung herrscht derzeit zweifellos in Tirana. Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der EU Ende Juni zum Gipfel treffen, will die seit einem dreiviertel Jahr amtierende Regierung von Premier Edi Rama zumindest den „Trostpreis“ erhalten: den Kandidatenstatus. Im Wissen, dass man damit noch nicht einmal auf Feld 1 vorgerückt ist, sondern allenfalls einmal die Figuren aufgestellt hat.

Seit 15. Dezember 2005 ist Mazedonien Beitrittskandidat, und seither geschah genau – nichts. Abgesehen von den sogenannten Vorbeitrittshilfen, auf die Skopje freilich Anspruch hat. Denn solange der Namensstreit mit Griechenland nicht gelöst ist (Athen fordert eine Änderung des Staatsnamens, weil laut griechischer Lesart der Name Mazedonien territoriale Ansprüche auf die gleichnamige griechische Region impliziere, weshalb sich das Land international auch Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien nennen muss), wird es keine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen geben.

Schuman als Albaniens Koran

Albanien möchte zumindest nicht mehr länger auf den Kandidaten-Status warten, und der eloquente Rama lässt keine Gelegenheit aus, den waschechten Europäer zu geben: „Wenn ich demnächst nach Serbien reise, dann deshalb, weil uns der europäische Gedanke heute wichtiger ist als Konflikte“, sagte er kürzlich im Gespräch mit Journalisten aus EU-Ländern: „Ich hoffe, wir sind hier nicht die letzten Naiven“, spielt er auf die EU-internen Probleme an, die auch eine gewisse Erweiterungs-Müdigkeit verursacht haben. Manchmal wird Rama freilich von seiner Begeisterung etwas gar weit fortgetragen: „Robert Schuman (einer der Gründerväter der EU; Anm.) wird in Albanien gelesen wie der Koran in einer Koranschule.“

Wenn Serbiens Premier Vučić nach Wien kommt, könnte er übrigens auch gleich seinen Streit mit der OSZE beilegen: Dunja Mijatović, die Medien-Beauftragte der Organisation, hatte Serbien im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe Zensur-Absichten vorgeworfen. Entrüstet hat dies Vučić nun in einem Brief zurückgewiesen und – höchst ungewöhnlich – eine Entschuldigung von Mijatović verlangt. Er wolle nicht glauben, dass „hinter der Reihe von Unwahrheiten, die sie gegen Serbien vorgebracht hat, eine andere politische Absicht steckt“, schreibt Vučić.

AUF EINEN BLICK

An der Westbalkan-Konferenz, die Montag und Dienstag in der Hofburg stattfindet, nehmen die Außenminister von Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro, dem Kosovo, Mazedonien, Albanien, der Slowakei, Bulgarien, Griechenland und Italien teil. Komplettiert wird die Runde durch EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle und Weltbank-Vizepräsidentin Laura Tuck. Am Dienstag folgt ein Treffen der Zentraleuropäischen Initiative, der Österreich momentan vorsitzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2014)

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